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Kirche in WDR 3 | 13.11.2024 | 07:50 Uhr
Gemeinschaft
Guten Morgen zum geistlichen Training gegen den November-Blues.
Heute: Gemeinschaft.
Ich glaube ja: Wir sind nicht dafür gemacht, auf Dauer alleine zu sein. Tut einfach nicht gut.
Mir jedenfalls nicht.
Eines der großen Probleme unserer Zeit ist ja, dass vielen Gemeinschaft fehlt.
Jeder Siebte fühlt sich regelmäßig einsam, quer durch alle Altersgruppen.
Im November, wenn wir weniger draußen sind und die Tage dunkler und kürzer werden, kommt das noch häufiger vor. Besonders junge Menschen und Alte leiden oft darunter.
Es gibt eine regelrechte Beziehungsarmut in unserem Land.
In Wohnungen, in Schulen, an der Universität, an der Arbeit, im Pflegeheim.
Und sie existiert selbst dort, wo viele beieinander sind: das Gefühl, einsam zu sein.
„Es ist nicht gut, dass der Mensch alleine sei.“ Das sagt Gott, ganz am Anfang der Bibel.
Gott hat uns füreinander geschaffen, damit wir gemeinsam gut durchs Leben kommen.
Und das nicht in einer Gemeinschaft, zu der nur die gehören, die mir ähnlich sind.
Sondern die sich – religiös gesprochen – auszeichnet durch radikale Liebe zum Anderen – ganz gleich, ob er mein Freund oder mein Feind ist.
Wo es keine Rolle spielt, wen Du liebst, wie Du aussiehst, woher Du stammst, was Du verdienst, ob Du politisch links oder rechts stehst, ob Du Männlein, Weiblein oder divers bist.
Nicht einmal, ob Du Dortmund-, Köln-, Fortuna- oder Schalke-Fan bist oder mit Fußball gar nichts am Hut hast.
Eine Gemeinschaft, in der wir ohne Angst verschieden sein können, weil wir alle Geschöpfe Gottes sind.
Doch eine solche Gemeinschaft zu sein, fällt nicht leicht.
Auch in der Kirche scheitern wir immer wieder daran.
Und trotzdem halten wir in der Kirche an dieser Vision fest: von einer Gemeinschaft über alle Grenzen hinweg – so, wie Jesus Christus sie uns vorgelebt hat. Das ist mir wichtig.
Und Gott überrascht mich dort immer wieder mit der Weite seiner Liebe.
Etwa, wenn ich einen Gottesdienst an einem neuen Ort besuche.
Da sind Menschen, die ich vorher gar nicht gekannt habe, und mit denen ich dennoch zusammen singe, esse, schweige, bete, Gemeinschaft habe.
Einfach, weil wir gemeinsam im Leben unterwegs sind.
Und es geschieht jenseits von Kirche und Gemeinden mitten in meinem Stadtteil. Da komme ich beim Einkaufen mit einer Nachbarin ins Gespräch, es geht vom Käse über die Kinder zu den Krisen, die uns gemeinsam Sorgen machen.
Und um das, was sie wie mich hoffen lässt. Und plötzlich entdecke ich Gott bei meinem Mitmenschen. Gott ist immer schon da und erwartet mich dort, bei meinen Mitmenschen.
Stay together. Wir sind einander geschenkt. Haben einen Schatz aneinander.
Und gelebte Nächstenliebe ist eines der wichtigsten Dinge, die wir haben. Gerade jetzt, wo viele spüren: Die Gräben in der Gesellschaft werden immer tiefer. Und es fällt oft immer schwerer, mit anderen zu reden.
Es ist gut zu lernen, anderen neu zu vertrauen.
Die Kirche, die Gemeinde ist für mich ein Ort, wo ich das einüben kann.
Schreiben Sie mir gerne, wo Sie Gemeinschaft und Vertrauen erleben.
Ihnen einen gesegneten Tag mit anderen!
Thorsten Latzel, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland aus Düsseldorf.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze