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Kirche in WDR 3 | 19.11.2024 | 07:50 Uhr
Elijah und der Gott in der Stille
Als Priester lese ich die Bibel – klar. Und wenn Sie mich fragen würden, welche Stelle mich besonders bewegt, dann würde ich sicher sagen: die Gottesbegegnung des Propheten Elijah am Gottesberg Horeb. Die Worte dieser Stelle haben sich mir tief eingeprägt.
11Der Herr antwortete: Komm heraus und stell dich auf den Berg vor den Herrn! Da zog der Herr vorüber: Ein starker, heftiger Sturm, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, ging dem Herrn voraus. Doch der Herr war nicht im Sturm. Nach dem Sturm kam ein Erdbeben. Doch der Herr war nicht im Erdbeben. 12Nach dem Beben kam ein Feuer. Doch der Herr war nicht im Feuer.
Nach dem Feuer kam ein sanftes, leises Säuseln. 13Als Elija es hörte, hüllte er sein Gesicht in den Mantel, trat hinaus und stellte sich an den Eingang der Höhle.
Was für ein Bild – ich habe es vor meinem inneren Auge: Elija tritt aus der Höhle in diese „Stille verschwebenden Schweigens“, wie Martin Buber sie nennt, die voll von Gottes Gegenwart ist - nach als diesem Lärm und diesen Stürmen.
Für Elijah ist es das Ende eines langen Lernweges. Er
selbst sagt von sich: „Mit leidenschaftlichem Eifer bin ich für den
Herrn,
den Gott der Heerscharen, eingetreten.“ Sein Weg als Prophet war erfüllt von
Streit und teilweise auch von tödlicher Gewalt. Und was übrigbleibt sind Wunden
und Zerstörung. „Ich bin der Einzige, der übriggeblieben ist.“ Auf einem
bitteren Weg der Einsamkeit und der Hoffnungslosigkeit lernt er, dass man Gott
nicht erzwingen kann und dass sich Gottes Allmacht nicht im Schlachtenlärm
zeigt. Sie zeigt sich in dem Moment, wo er in der Stille vor ihn tritt.
Mich erinnert dieser feurige Elijah an meine
humanitäre Arbeit im Mittleren Osten. Seit
Jahren schon bin ich immer wieder in Syrien und im Nordirak tätig. Elijahs
streitender Glaube begegnet mir dort
in
angstmachender Weise in Form von religiösem Fanatismus. Da gilt wortwörtlich
das Motto „Und willst Du nicht mein Bruder sein, dann schlage ich Dir den
Schädel ein.“ Auffällig ist, dass die Hassprediger in ihren Predigten immer
schreien, ihre Kämpfer sich immer unter lautem Geschrei auf die Opfer stürzen,
um Angst und Schrecken zu verbreiten – Terror ist das lateinische Wort. So
haben 1500 Kämpfer des sogenannten Islamischen Staates 40000 irakische Soldaten
in Mossul in die Flucht geschlagen. Für Stille ist da kein Platz, denn dann
könnte Mitleid die Herzen derer berühren, die morden und schänden. Das Einzige,
was nicht laut ist, das ist die Friedhofsruhe, wenn sie wieder abziehen.
Diese Lautstärke begegnet mir aber auch hierzulande bei den Populistischen und den politischen Extremisten. Es ist immer ein lauter oder aggressiver Grundton in ihrer Kommunikation. Anders als die Stille am Horeb ermöglicht dieser Lärm keine Begegnung, keine Gemeinschaft. Er ruft Spaltung hervor. Und so ist es nicht verwunderlich, dass dieser Versuch, anderen Menschen die eigene Weltsicht aufzudrängen, aufwiegeln und niederreißen kann. Aber es gelingt diesen politischen Kräften – international und national – nicht, den Lebensraum und eine stabile Gemeinschaft aufzubauen, in dem Menschen friedlich und in Sicherheit leben können
All dies sind mir auch ganz persönlich ein mahnendes Beispiel. Wo ist meine Art, von diesem Lärm geprägt, der weder Raum für Nachdenklichkeit noch für Widerspruch lässt? Wo höre ich dem Anderen im Gespräch gar nicht mehr zu, sondern sortiere im Kopf schon meine weitere verbale Munition?
Elijahs Gotteserfahrung lädt mich ein, die Stille und das
Hören an den Anfang von allem zu stellen. Um durch Gottes Nähe in der Liebe und
in der Zuwendung zu wachsen. Und um diese Haltung des wachen Hinhörens
mitzunehmen in die Begegnungen des neuen Tages.
Dazu lade ich Sie und mich selbst einen.
Aus Münster grüßt Sie herzlich Pfarrer Jochen Reidegeld.