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katholisch

Kirche in WDR 3 | 22.11.2024 | 07:50 Uhr

Helden der Vergeblichkeit

Im Bericht über die Berufung der Jünger erzählt der Evangelist Matthäus von einer Begegnung am See Gennesaret, die sich nach Auskunft vieler Baumarkt-Mitarbeiter auch bei ihnen abspielt, wenn Akademiker mit wenig Praxisbezug bei ihnen aufschlagen. Der Prediger Jesus, der nun wirklich nicht danach aussieht, als ob er was vom Fach versteht, erklärt dem Praktiker Petrus, dem langjährigen Fischer, dass es Sinn macht, noch einmal herauszufahren und nennt ihm sogar die Stelle, wo er erneut fischen soll. So wie die Bibel Petrus schildert, kann ich mir gut vorstellen, dass sich bei ihm das gleiche Gefühl eingestellt hat, wie bei den genannten Baumarktmitarbeitern, denen die Theoretiker mit akademischem Titel die Welt und ihren Job erklären. Er wird nicht nur amüsiert gewesen sein.

Zugleich hat Petrus aber scheinbar auf einer tieferen Ebene gespürt, dass er es auf das Wort dieses Predigers gegen alle Wahrscheinlichkeit doch noch einmal wagen sollte. Obwohl alles dagegenspricht, noch einmal die Mühe und das Risiko der Ausfahrt auf sich nehmen. Auch dafür steht dieser biblische Bericht am Anfang der Berufungsgeschichte.

Es ist die Geschichte über einen Helden der Vergeblichkeit. Anders als die großen Heldinnen und Helden der Geschichte landen diese nur sehr selten auf den Seiten der Geschichtsbücher, aber sie schreiben sich ganz häufig ein in die Herzen der Menschen.

Ein solcher Held ist für mich David Sheff, der in seinem Buch mit dem Titel „Beautiful Boy“ den langen Kampf um seinen drogenkranken Sohn Nic schildert. Wie viele Eltern und Familien, erleben sie diesen langen Weg, auf dem sich aufkeimende Hoffnung und bittere Rückschläge immer wieder abwechseln. Die Familie gibt den Sohn nicht auf, obwohl nach menschlichem Ermessen keine Hoffnung mehr besteht und das Ringen über 10 Jahre andauert. Sie treffen aus Liebe die härteste Entscheidung: dem Sohn eine Rückkehr zu verweigern, als er wieder rückfällig wird. Aber auch in dieser Zeit bleiben sie ihm nahe. - Helden der Vergeblichkeit.

Ich denke an Frauen und Männer, die ich im Camp Hol in Syrien kennenlernen durfte. In diesem Lager werden Familien von IS-Kämpfern interniert. Ihnen schlägt ein unvorstellbarer Hass entgegen. Selbst bei der medizinischen Behandlung der Kinder müssen die Sanitäterinnen und Sanitäter damit rechnen, dass deren Mutter ein Messer unter ihrer Burka hervorziehen und sie angreifen. Und doch sagte eine der Frauen, die als Mitglied des medizinischen Dienstes diese Erfahrung machten musste:

Ich will diesen Frauen zeigen, dass es auch ein anderes, ein freieres und würdigeres Lebens für uns Frauen gibt. Und wenn mir das nur bei einer dieser Frauen gelingt, dann bin ich zufrieden.“

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Eine Heldin der Vergeblichkeit.

Ich denke an die Mitarbeitenden einer kirchlichen Jugendhilfeeinrichtung, der ich seit vielen Jahren verbunden bin. Deren Erzieherinnen und Erzieher müssen damit leben, dass die Mehrzahl ihrer Kinder und Jugendlichendas, was man allgemein als geregeltes Leben betrachtet, nicht erreichen wird. Es ist bei vielen ein Erfolg, wenn sie lernen von der Sozialhilfe zu leben und nicht straffällig werden. Und trotzdem erlebe ich in dieser Einrichtung wunderbare Mitarbeitende, die mit einer Hingabe, Zuwendung und Geduld arbeiten. Die große Zahl der nicht erfüllten Hoffnungen sehe ich ihnen nicht an. - Heldinnen und Helden der Vergeblichkeit.

Wieviel dunkler wäre diese Welt, wenn es nicht diese Heldinnen und Helden gäbe?

Vielleicht kennen ja auch sie solch eine Heldin oder einen Helden. Ich glaube, es täte ihnen gut von ihnen zu hören, wie wichtig und wertvoll ihr Bemühen ist – obwohl es in den Augen der meisten Mitmenschen vergeblich erscheint. Einen guten Start in diese Woche wünscht Pfarrer Jochen Reidegeld aus Münster.