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Kirche in WDR 3 | 26.11.2024 | 07:50 Uhr
Die Wiese vor dem Haus
Guten Morgen!
Vor ein paar Jahren wurde der Kanal in unserer Straße neu gemacht. Große Bagger reißen den Asphalt auf, laden die alten Röhren auf Lastwagen und verlegen neue. Auf einer alten Karte ist verzeichnet, wie der Kanal mitten über unser Grundstück führt. Und so wird auch unser Vorgarten aufgerissen. Ein sechs Meter tiefes Loch wird ausgehoben, weil da früher auch ein Kanaldeckel und ein Einstieg war.
Als die Bauarbeiter fertig sind, bringen sie mit einem Kipplaster eine Ladung Mutterboden und schütten alles wieder zu. Nach ein paar Tagen beginnen die ersten Samen zu keimen. Nach und nach erobern die Pflanzen die große braune Fläche im Vorgarten. Gräser wachsen und Blumen: Der Mohn blüht rot, das Silberblatt violett, Engelwurz und Wiesenmargerite weiß. Schmetterlinge kommen dazu: Admiral, kleiner Fuchs und Kohlweißling. Allerlei Wildbienen, Schwebfliegen, Wespen und Hummeln fühlen sich in der neuen Wiese wohl. Wir lassen es einfach wachsen und mähen im Herbst alles einmal ab. Im Jahr danach stellen wir eine Bank vors Haus, damit wir dort sitzen und uns die bunte Wiese anschauen können.
Letztes Jahr sind Gartenarbeiten hinter dem Haus zu machen, und der Garten-Landschaftsbauer steht bei uns im Vorgarten und staunt: „Was ist das denn für eine Samenmischung? Lauter Pflanzen, die hier im Ruhrgebiet zu Hause sind und sich wohlfühlen. Das habe ich so noch nie gesehen,“ sagt er.
Das sind die Samen aus dem Mutterboden und alles, was Vögel, Insekten und der Wind mitgebracht haben, erzähle ich ihm, und für einen kurzen Moment staunen wir gemeinsam.
Wenn Jesus in der Bibel vom Glauben erzählt, vergleicht er das gerne mit Beispielen aus der Natur. In der Bergpredigt sagt Jesus:
„Seht euch die Wiesenblumen an: Sie wachsen, ohne zu arbeiten und ohne sich Kleider zu machen. Ich sage euch: Nicht einmal König Salomo in all seiner Herrlichkeit war so schön gekleidet wie eine von ihnen. So schön macht Gott die Wiesenblumen. Dabei gehen sie an einem Tag auf und werden am nächsten Tag im Ofen verbrannt. Darum wird er sich noch viel mehr um euch kümmern. Ihr habt zu wenig Vertrauen!“ (1)
Die Wiese vor meinem Haus geht jetzt in die Winterruhe. Die Blumen haben die Samen für das neue Jahr schon in die Erde gelegt, die Stauden sammeln in den Wurzeln neue Energie. Und ich nehme mir vor, mehr Vertrauen zu haben: Gott gibt den Blumen Zeit zum Ausruhen und zum Energiesammeln, und dann Kraft zum Aufzublühen. Und so wie Gott das für die Blumen macht, wird Gott sich auch um mich kümmern. Und um dich.
Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag, so bunt wie meine Wiese im Sommer.
Ihr Steffen Riesenberg, Pfarrer in Bottrop.
Quellen:
Bibeltext: Matthäus 6,28–30, zitiert aus der Basisbibel
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze