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Kirche in WDR 3 | 28.11.2024 | 07:50 Uhr
Unrecht benennen - Georg-Siegfried Schmutzler
Guten Morgen!
Der Hammer des Richters knallt auf das Pult. Fünf Jahre Gefängnis wegen Boykotthetze. So heißt das in der DDR der 1950er Jahre. Der Verurteilte: Siegfried Schmutzler, ein evangelischer Pfarrer.
Er wächst in der Nähe von Leipzig auf, in der Nazizeit steht er auf der Seite der Bekennenden Kirche und wird lange in den Krieg ins damalige Jugoslawien geschickt. Dann Gefangenschaft. 1946 kehrt er nach Deutschland zurück und studiert in Leipzig evangelische Theologie. Die Studierendengemeinde wird zur Heimat für ihn. Nach dem Ende der Ausbildung kommt er dorthin zurück und wird Studierendenpfarrer. Die Gemeinde ist damals ein Treffpunkt für Studierende aus allen Fachbereichen. Dort kann man offen sprechen, und Siegfried Schmutzler lädt als Pfarrer zum kritischen Austausch ein. Er spricht Fragen an, die für die Studierenden interessant sind: Er wendet er sich gegen verpflichtende Kurse über Marxismus und Leninismus und gegen den Zwang, in sozialistischen Organisationen Mitglied zu werden.
Das bleibt natürlich nicht unbemerkt, und die SED-Diktatur greift ein. 1957 wird er in seiner Wohnung von der Staatssicherheit festgenommen. Es kommt zu einem Schauprozess, an dessen Ende das Urteil steht: fünf Jahre wegen Boykotthetze. Ein paar Studierende aus der Gemeinde werden ebenfalls verurteilt und müssen die Universität verlassen. Die SED will die Kirche einschüchtern.
Ein Gefangenenaustausch mit der Bundesrepublik kommt nicht zustande, und vier Jahre später kommt Siegfried Schmutzler frei, wegen guter Führung. Er bleibt in der DDR und wird in seiner Kirche zuständig für pädagogische Themen. Selbst sieht er sich zeitlebens als Systemgegner. In einer Dokumentation sagt er 1996: „Ich habe keine Gefühle negativer Art gegenüber den Menschen, denen ich im Prozess oder im Strafvollzug begegnet bin. Sondern ich hatte von Anfang an das Gefühl, einem System gegenüberzustehen. Die Menschen waren alles ausführende Organe.“
Kurz nach dem Ende der DDR wird Siegfried Schmutzler rehabilitiert, in paar Jahre später bekommt er das Bundesverdienstkreuz. Mit 88 Jahren stirbt er in Berlin.
An einer Stelle in der Bibel sagt der Apostel Paulus: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ Das hat Siegfried Schmutzler getan, und heute, auf den Tag genau 67 Jahre nach seiner Verurteilung, ist er mir ein Vorbild. Meine Kirche soll eine Gemeinschaft sein, die Unrecht beim Namen nennt und dafür auch mal Schwierigkeiten riskiert. Um der Menschlichkeit willen.
Ich wünsche Ihnen heute einen guten Tag! Ihr Steffen Riesenberg, Pfarrer in Bottrop.
Quellen:
Bibeltext: Apostelgeschichte 5,29, zitiert aus der Lutherbibel
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze