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Kirche in WDR 3 | 03.01.2025 | 07:50 Uhr
Kleine Schritte
Jetzt ist das neue Jahr schon drei Tage alt. Naja – und ich muss gestehen: Ich habe mir zum Jahresbeginn auch viel vorgenommen. Aber wie das so ist: Gute Vorsätze halten manchmal nicht sehr lange. Bei mir jedenfalls ist das so. Dabei hat mir jemand geraten: Damit ein guter Vorsatz die erste Woche im Jahr nur überleben kann, muss er vor allem einigermaßen kompatibel sein mit dem eigenen Alltag.
Think big and start small – Denk groß und fange klein an. Der Spruch ist ja im beruflichen wie im privaten Kontext mittlerweile ein sehr geflügeltes Wort.
Die Kraft der kleinen und dabei kontinuierlichen Schritte entfaltet eine größere Wirkung, als man denkt. Nach einer Knieoperation im Herbst letzten Jahres habe ich die Kraft, aber natürlich auch die Mühe der kleinen Schritte im wahrsten Sinne des Wortes an mir erlebt. Was vorher so selbstverständlich war, nämlich einen Fuß vor den anderen setzen, und zwar idealerweise im Gleichmaß, das wurde für mich zu einer Herausforderung und zu einem Übungsfeld. Kleine Schritte bitteschön, und immer schön gleichmäßig.
Für mich als Theologin hat das Ganze auch eine spirituelle Dimension, von der ich erzählen möchte: Die Wüstenväter der frühen Christenheit waren nämlich Meister darin, im Alltag kleine Schritte mit großen Visionen zu gehen. Von Pambo, einem Mönch, der im 4. Jahrhundert im nordwestlichen Nildelta in Ägypten lebte, ist folgende Geschichte überliefert:
„Der Mönch Pambo war sehr inspiriert von der Haltung des Schweigens, wie er sie bei seinen Brüdern erlebt hat. Und so macht er sich diese Haltung intensiv zu eigen, weil ihm das Tun wesentlicher schien als das Reden.
Da er selbst des Lesens unkundig war, bat er eines Tages einen anderen Mönch, ihm einen Psalm aus der Bibel vorzulesen.
Nach dem ersten Vers unterbrach er den Vorleser und sagte: Moment, erst muss ich lernen, diesen Vers in meinen Alltag zu leben, ihn in die Wirklichkeit umzusetzen. Danach komme ich wieder, und du liest mir den zweiten Vers vor. Acht Jahre geht Pambo der Überlieferung nach in seine Zelle, und nach diesen langen Jahren geht er wieder zu dem besagten Bruder, der ihm den Vers vorgelesen hatte. Dieser fragte nun: Warum bist du nicht wiedergekommen, damit ich dir den Rest vorlesen kann. Pambo antwortete: Weil ich acht Jahre gebraucht habe, um diesen einen Vers in meinem Leben umzusetzen.“[1]
Was für ein großartiger Gedanke. Das Gehörte soll nicht unverarbeitet in den Kopf, zusammen mit vielen weiteren Gedanken, sondern der Mönch Pambo möchte es direkt in seinem Alltag umsetzen. Start small, fang klein an, war wohl ganz eindeutig seine Haltung. Verbunden mit der Geduld, kleine Schritte zu gehen.
Noch ein anderer Theologe fällt mir dazu ein: Der heilige Ignatius von Loyola, der Ordensgrüner der Jesuiten aus dem 16. Jahrhundert, griff wohl das Ansinnen des Mönches Pambo auf und betonte: Nicht das Vielwissen sättigt die Seele, sondern das Verkosten der Dinge von innen her. Und zum Verkosten gehört das Umsetzen in kleinen Schritten, gehört das Sich-zu-eigen-machen. Was das bedeutet, wurde mir klar durch einen Vergleich mit der englischen Sprache. Da sagt man zum „Auswendiglernen“: Learning by heart. Was ich also lese und auswendiglerne, muss mir in das Herz hinein gehen und wird somit ein Teil von mir. Und genau dadurch entwickelt sich eine Kraft, die das Leben verändert.
Think big and start small – Denke groß und fange klein an. Wenn Sie also eine Idee oder eine Vision für Ihr Leben haben, dann gehen Sie einfach mal einen ersten kleinen Schritt in die entsprechende Richtung. Die nächsten Schritte folgen bestimmt.
Aus Oberhausen grüßt Sie Ingelore Engbrocks
[1] Vgl. Unbequem und extrem erfolgreich. Wüstenväter, Münsterschwarzach 2021, 20-22.
