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Kirche in WDR 3 | 28.02.2025 | 07:50 Uhr
Ich bin queer
Ich bin Ordensfrau und queer. Der Kardinal übrigens auch und jede Ordensfrau, jeder Ordensmann und Priester. Jedenfalls im besten Sinne des Wortes. Denn „queer“ bedeutet nichts anderes, als dass ich einen anderen Zugang zur Sexualität habe als der Durchschnitt der Bevölkerung. Im Internet steht: „Queer ist ein Sammelbegriff für alle, die sich in ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer sexuellen Identität nicht der „heteronormativen“ Mehrheitsgesellschaft zugehörig fühlen“[1]. Das tue ich als Ordensfrau nicht. Ich bin mit meiner Lebensform im Zölibat deutlich anders und außerhalb der Norm. Sie denken bei queeren Menschen vielleicht an Homosexuelle, Bisexuelle, Transsexuelle und was ihnen sonst noch so in den Kopf kommt. Aber wir, die wir im Zölibat leben, leben auch eine völlig ungewohnte Form der Sexualität. Nur, dass die Kirche das im Laufe der Jahrhunderte als eine Idealform stilisiert hat. In meinem katholischen Rahmen gilt der Zölibat als etwas Besonderes und gar Reines und Erstrebenswertes. Der Papst möchte das Priester-Sein vom Zölibat nicht lösen – egal wie viele Priester darunter leiden.
In anderen Kulturen ist der Zölibat etwas völlig Befremdliches. Ich bin vor ein paar Jahren mal für das ZDF durch die Türkei, den Libanon und Israel gereist[2]. Von Muslimen wie von Juden wurde ich oft verständnislos angeschaut, als ich erklärte, ich sei Ordensfrau und lebe mit keinem Man zusammen. „Kein Sex?“ Wurde ich immer wieder ungläubig gefragt, auch von sehr gläubigen Menschen. Ihr Gottesbild sagte, dass es nicht Gottgefällig sei. Da habe ich mich wirklich „queer“ gefühlt – außerhalb der Norm.
Ich habe mir dieses Leben im Zölibat ausgesucht, ich bin quasi freiwillig queer. Die meisten queeren Menschen suchen sich das nicht aus. Oft ist es ein langer Weg, bis sie ihre Queerness selbst annehmen können. Und noch immer leiden so viele darunter, dass sie von der Gesellschaft nicht angenommen werden. Auch nicht in meiner katholischen Kirche. In der Bewegung „OutInChurch“ haben sich Menschen zusammengetan, die als Queere Personen unter dieser Diskriminierung leiden und die die Kirche dennoch lieben und sich in ihr zuhause fühlen. Sie wünschen sich eine Kirche, die sich von jeder Form der Diskriminierung distanziert und allen Gläubigen Zugang zu allen Sakramenten gewährt, egal wie sie ihre Sexualität leben. Sie möchten kirchliche Arbeitsplätze innehaben, bei denen sie offen ihre „Andersheit“, das queere, leben dürfen.
Ich fühle mich als „Freiwillig-Queere“ mit diesen Menschen sehr verbunden. Und: Ich kann meinem Zölibat wirklich etwas abgewinnen. Ich bin völlig zufrieden damit. Würde ich das nicht sein, so könnte ich ja einen anderen Weg gehen. Mehrmals war ich verliebt und habe damit gerungen, wie mein Leben weiter gehen soll. Und jedes Mal hat mein Orden mich ermutigt, dem genau nachzuspüren, es gar auszuprobieren. Denn der Weg im Orden ist nur ein Weg. Und den sollte man zufrieden und glücklich gehen. Und wenn ein anderer Weg für mich richtig wäre, so sei das doch ebenso wunderbar, so haben mir das meine Mitschwestern vermittelt. Das hat mir sehr geholfen und mir die Freiheit zur Entscheidung gelassen. Ich habe mich bisher immer zum Bleiben entschieden. Aber wer weiß denn schon, was Gott für meinen Weg noch so vorgesehen hat?
Ich wünsche mir jedenfalls, dass meine Kirche ein Herz für Queere hat – nicht nur für uns „Freiwillig-Queeren“, für uns Zölibatäre. Dass niemand wegen seiner sexuellen Orientierung benachteiligt oder diskriminiert wird. Der Wert und die Würde des Menschen ist unantastbar, egal in welcher Form von Sexualität dieser Mensch lebt.
Queer ist kein Schimpfwort,
queer ist eine Gemeinsamkeit derer, die Sexualität auf ihre Weise leben. Wenn
wir dazu stehen und offen damit umgehen, dann bewegt sich etwas im Denken und
im Handeln- auch innerhalb der Kirche, hofft Sr. Jordana Schmidt von den
Dominikanerinnen von Bethanien.
[1] https://www.bbw-suedhessen.de/bbw_glossar/queer/
[2] https://www.youtube.com/playlist?list=PL80CD5AA72507F95B