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Kirche in WDR 3 | 04.03.2025 | 07:50 Uhr
Masken
Guten Morgen!
Karneval. Endlich kann ich mal jemand anderer sein – hinter der Maske. Ich schlüpfe in andere Rollen, trage bunte Kostüme und als Mitglied der Roten Funken in Köln ziehe ich in meiner Uniform mit dem Rosenmontagszug durch die Straßen. Und ich spüre: Diese Rolle verändert etwas in mir. Die Uniform gibt mir Haltung und Stolz – fast so, als würde ich für diesen Moment in eine andere Identität schlüpfen. Und das ist oft befreiend: einen Tag lang muss ich nicht ich selbst sein, sondern kann einfach die Freude am Rollenwechsel und das gemeinsame Feiern genießen.
Doch Karneval endet. Wenn der Zug vorbei ist, die Kostüme im Schrank hängen und die Schminke abgewaschen ist, stehe ich vor dem Spiegel. Da bin ich: ohne Maske, ohne Verkleidung. Dieser Moment fühlt sich manchmal befreiend an, manchmal aber auch herausfordernd. Wer bin ich, wenn nichts mehr bleibt, hinter dem ich mich verstecken kann? Wenn alle Masken wegfallen?
Und wenn ich ehrlich bin, tage ich doch auch im Alltag oft Masken. Ich lächele, obwohl ich mich eigentlich nicht danach fühle. Ich zeige mich stark, obwohl ich mich innerlich schwach fühle. Oder ich spiele eine Rolle, weil ich glaube, dass andere genau das von mir erwarten.
Doch Gott sieht mich anders. „Der Mensch sieht, was vor Augen ist; Gott aber sieht das Herz an.“, heißt es in der Bibel. (1. Samuel 16,7)
Gott blickt hinter meine Masken. Er sieht mein wahres Ich – mit all meinen Stärken und Schwächen, meinen Fehlern und Träumen. Und das Erstaunliche ist: Er liebt mich genauso, wie ich bin.
Ich erinnere mich an einen Moment nach meinem ersten Rosenmontagszug. Ich hatte stundenlang gelächelt, gewunken und Kamelle geworfen. Doch als ich abends vor dem Spiegel stehe und die Uniform ablege, sehe ich einen anderen Menschen: keine „staatse Funk“ mehr, sondern einfach mich – müde, erschöpft, aber auch ehrlich. Und in diesem Moment wird mir klar, dass ich so, wie ich bin, genug bin.
Im Alltag ist das nicht immer so leicht. Oft halte ich an meinen Masken fest. Ich fürchte, dass mein wahres Ich nicht ausreicht – dass ich nicht stark genug, nicht erfolgreich genug, nicht liebenswert genug bin. Doch Gott sagt: Du, streng dich nicht so an, ich guck sowieso hinter deine Masken. Für mich bist du ok.
Es braucht Mut, ehrlich zu sein und sich verletzlich zu zeigen und zu sagen: „Ich schaffe das gerade nicht allein“ oder „Ich bin müde und brauche Hilfe.“ Genau in dieser Ehrlichkeit liegt eine große Freiheit.
Nicht nur an Rosenmontag, sondern auch sonst im Jahr frag` ich mich: Welche Masken trage ich im Alltag? Und wie würde es sich anfühlen, sie abzulegen? Vielleicht kann ich klein anfangen – mit einem ehrlichen Gespräch, einer Geste der Offenheit oder einfach damit, dass ich mir selbst erlaube, nicht perfekt zu sein.
Karneval zeigt mir, wie befreiend es sein kann, für einen Moment jemand anderes zu sein. Doch das Leben zeigt mir, wie schön es ist, ich selbst zu sein – mit all meinen Ecken und Kanten, mit meinen Stärken und Schwächen.
Gott sieht mich, wie ich wirklich bin. Und er sagt: „Du bist genug. Du bist geliebt.“
Es grüßt Sie Pfarrer Oliver Kießig aus Köln.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze