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Kirche in WDR 3 | 12.03.2025 | 07:50 Uhr
Akko oder: Selig die Frieden stiften
In wenigen
Wochen endet nach neun Jahren meine Zeit im Heiligen Land.
Eigentlich eine großartige Zeit, aber das
Massaker am 7. Oktober 2023 mit den kriegerischen Konsequenzen haben mich sehr
nachdenklich gemacht und mitgenommen: Das Heilige Land ist auch ein Land der
Kriege – seit Jahrtausenden. Es gibt hier viele Orte, die davon erzählen.
Einer davon ist Akko. Da bin ich immer wieder gerne gefahren. Die Stadt am Mittelmeer ist von Tabgha am See Gennesaret aus, wo ich lebe, gerade mal eine Stunde entfernt. Akko ist bekannt für seinen Fisch, den man in Restaurants auf den Hafenmauern wunderbar essen kann. Hier leben Juden und Araber – und zumeist bleibt es dabei friedlich.
Dabei steht Akko auch für etwas anderes: Besucherinnen und Besucher sind meist beeindruckt von den gewaltigen Befestigungsanlagen, die einst sogar Napoleon widerstanden haben. Damals regierte die Stadt ein Ahmed al Jazzar, was nichts anderes bedeutet als „Ahmed der Schlächter“ – und sein Name war Programm. Und dann sind da natürlich die Bauten der Kreuzfahrer – besonders die sogenannte „unterirdische Stadt“, das einstige Hauptquartier der Johanniter mit großen Hallen, Wehrmauern und Fluchttunneln.
Sie erinnern an die Kriege, die die Kreuzfahrer einst um dieses Land geführt haben, und zwar als „Ordens-Ritter“ – sie wollten Mönche und Krieger zugleich sein. „Deus lo vult“, „Gott will es“, war ihr Schlachtruf. Sie waren der Überzeugung, dass die Ungläubigen den Christen das Land zu Unrecht weggenommen hatten. Und natürlich ist es heute ein Leichtes, diese Idee abzulehnen: Gewalt im Namen des christlichen Gottes, gerechtfertigt durch die Bibel – das klingt für uns „echt mittelalterlich“.…
Aber so einfach haben es sich zumindest einige Theologen der Kreuzfahrerzeit nicht gemacht. Sie waren überzeugt: Gewalt muss manchmal sein – aber es kommt darauf an, zu welchem Zweck und mit welcher inneren Einstellung! Das mag uns spitzfindig erscheinen, aber das war ein Fortschritt gegenüber brutaler Willkür.
Und die Frage ist gerade hier bis heute aktuell: Ist ein Leben ohne Krieg, Gewalt möglich? Muss ich mich nicht wehren gegen brutale Massaker, gegen Menschen, die mir das Recht auf Leben, Heimat und Sicherheit absprechen? Und wäre es nicht ein Fortschritt, wenn ich immer wieder meine Einstellung prüfe und frage: will ich mich wirklich nur verteidigen?
Auf meinem Rückweg von Akko nach Tabgha bin ich immer wieder am Berg der Bergpredigt vorbeigekommen. Und immer wieder höre ich die Botschaft Jesu, die von hier ausgegangen ist (Mt 5, 9. 39): „Selig die Frieden stiften, denn sie werden Kinder Gottes genannt werden.“ „Wenn Dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halte ihm auch die andere hin“.
Aber geht das? Kann man mit der Bergpredigt Politik machen? Ich weiß es weniger denn je in diesem Land, in dieser Zeit.
Immerhin: Ich sehe hier auch Menschen, die sich der Logik der Vergeltung widersetzen. Da ist der „Parents Circle“, der „Elternkreis“, in dem sich Angehörige von Terroropfern beider Seiten treffen. Menschen die durch ihren Schmerz zueinander gefunden haben und Wege suchen, die Feindschaft zu überwinden. Da sind die „Combattants for Peace“, ehemalige Kämpfer beider Seiten, die sich nun für ein friedliches Miteinander engagieren. Da ist „Tag meir“, eine Organisation, die Opfern von Hassverbrechen auf allen Seiten beisteht. Da ist die Frau, die – obwohl selbst traumatisiert – weiter für den Respekt zwischen den Religionen kämpft. Starke Menschen sind das, die vielleicht nicht immer die andere Wange hinhalten, aber auf ihre Weise die andere Seite zu verblüffen suchen, den Kreislauf von Schlag und Gegenschlag durchbrechen.
Für mich sind das die Menschen, die rein sind im Herzen, und die Jesus selig preist. Und er fügt hinzu: Sie werden Gott schauen.
Aus Tabgha, nicht weit vom Berg der Bergpredigt, grüßt Sie Georg Röwekamp