Beiträge auf: wdr3
Kirche in WDR 3 | 21.03.2025 | 07:50 Uhr
Fürstlich Wohnen
Guten Morgen!
Wer möchte schon in einer Straße wohnen, die „Die finstere Gasse“ heißt: In der „Finsteren Gasse“ zu wohnen ist aber gar nicht so dunkel wie es klingt. Dank modernerer Fenster in den Gebäuden. Aber von vorn. Wir schreiben das Jahr 1516. In der Altstadt von Augsburg wird die Fuggerei gebaut – mit ganz kleinen Fenstern, wie es damals üblich ist. Die Fenster haben damals noch keine Scheiben. Wenig Licht fällt hier hinein. Vielleicht kommt daher der Name „Finstere Gasse“. Es ist die älteste Sozialsiedlung, die bis auf den heutigen Tag bewohnt wird. Und sie hat das Gegenteil von Finsternis zum Ziel: Mit ihr kommt Licht ins Dunkle. Wohnungen für Arme. Für drei Gebete am Tag und einen Rheinischen Gulden pro Jahr - das wären heute umgerechnet 88 Cent - können bedürftige Menschen hier wohnen und leben. In Würde.
Der Stifter und Gründer dieser berühmten Siedlung ist Jakob Fugger, unermesslich reich, von großem politischem Einfluss. Und sehr religiös. Augsburg ist damals ein blühendes Wirtschaftszentrum. Und die Familie Fugger will etwas gegen die Wohnungsnot der Armen tun. Diese Achtung der Würde jedes und jeder Einzelnen hat praktische Konsequenzen für den Bauplan. Oft wohnen zwei Familien in den schmalen Reihenhäusern. Doch jede hat einen eigenen Eingang. Bemerkenswert! Der, der durch seine eigene Tür geht, gehört da auch wirklich hinein. Der ist hier goldrichtig. Denn außer Essen und Trinken braucht jeder Mensch einen Schutz- und Wohnraum und das Gefühl der Gemeinschaft.
Die eigene Tür! Darin liegt ein Versprechen. Nämlich: Wirklich nach Hause kommen.
Eine besondere Atmosphäre liegt auf diesem Ort. Die Fuggerei zieht seit 500 Jahren die Menschen an; als Bewohnerinnen und Bewohner oder als Touristen, die durch die „Finstere Gasse“, “Hintere Gasse“ oder „Ochsengasse“ gehen und fasziniert sind.
Ich gehe durch die Gasse und sehe, wie jemand beim Verlassen des Museums in der Fuggerei die Tür offenstehen lässt. Eine aufmerksame Touristin schließt die Tür. Und eine Bewohnerin auf der gegenüberliegenden Seite der Gasse – die das beobachtet hat - ruft ihr vom 1. Stock aus zu: „DANKE!“ Die Bewohnerin fühlt sich offensichtlich mit verantwortlich für das Museum, vielleicht für die ganze Siedlung. Die Türen hier in der Fuggerei scheinen allen zu gehören, auch wenn jede und jeder einen eigenen Eingang hat. Das ist mehr als eine normale Wohngemeinschaft. Tür auf, um Menschen hereinzulassen, Tür zu wenn es kalt ist! Fenster auf, um frischen Wind reinzulassen oder um einen schönen Gruß auf die andere Straßenseite zu schicken; vielleicht gerade an jemanden, der von außerhalb kommt. Das bedeutet doch, dass es manchmal nicht viel braucht, um vom Finsteren zum Helleren zu kommen. Das ist sicher nicht nur in der Fuggerei Augsburg möglich; sondern hoffentlich überall da, wo Menschen sich wirklich zu Hause fühlen können.
Ich wünsche ihnen einen guten Morgen, Ihre Pfarrerin Nicola Thomas-Landgrebe aus Köln.
Quellen:
https://www.fugger.de/fuggerei (letzter Abruf 01.03.25)
Broschüre Fuggerei, Soziale Heimat seit 1521; Impressum: Herausgeber: Fürstlich und Gräflich Fuggersche Stiftungen, Gestaltug: team m&m Werbeagentur, Fotos: Eckhart Matthäus, Illustrationen: Musclebeaver, Text: Sigrid Gribl.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze