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Kirche in WDR 3 | 26.04.2025 | 07:50 Uhr
"Muh!"
„Muh“ – sagte die Mutter zu ihrer Tochter, den ganzen Tag. Was war passiert? Die Tochter hatte ihre Mutter „blöde Kuh“ genannt. Und um der Tochter mal zu zeigen, wie das wirklich ist, wenn die Mutter eine Kuh ist, kam aus ihrem Mund für den Rest des Tages nichts anderes als eben: „Muh“. Als die Tochter mir das Jahre später einmal erzählt, findet sie das noch immer nicht lustig. Immer wieder habe sie an jenem Tag versucht, ihre Mutter zu bewegen, normal mit ihr zu sprechen. Aber die Mutter blieb hartnäckig: „Muh“ – den ganzen Tag.
Wie groß war die Tochter erleichtert, als ihre Mutter dann endlich wieder mit ihr sprach!
So ähnlich stelle ich mir Maria Magdalenas Erleichterung vor – in der zentralen Ostererzählung der Bibel: Darin geht die engste Vertrauten Jesu nach seinem Tod zum Grab. Seinen Leichnam will sie sehen, um zu trauern. Aber: Der ist nicht da: „Muh“. Sie sucht und sucht – rennt in den Garten, in dem die Grabhöhle liegt. Dort spricht eine fremde Person sie an. Maria von Magdala denkt, es sei der Gärtner. Erst als er sie beim Namen nennt, als er „Maria“ zu ihr sagt, erkennt sie in ihm Jesus. Der, den sie für tot gehalten hat, er lebt! Auch wenn die Erleichterung bei Maria Magdalena vermutlich noch viel größer war als bei der eingangs erwähnten Tochter. Wie erleichternd ist es doch, wenn Menschen wieder miteinander sprechen.
Christen feiern Ostern 50 Tage lang. Heute ist, wenn man so will, erst der dritte von 50 Ostertagen. Und solche Ostermomente: Die passieren auch mitten im Leben – nicht erst nach dem Tod. Die Situation von Mutter und Tochter ist da ein ziemlich harmloses Beispiel. Wenn zwei Menschen wieder miteinander sprechen, obwohl sie schon dachten, sich alles gesagt zu haben, dann kann das auch neues Leben bedeuten. Nicht erst nach dem Tod.
Für mich ist Ostern eine Ermutigung, aufeinander zuzugehen. Dann kann etwas auferstehen, wenn die gemeinsame Sprache gestorben war. Ein belebendes Wort kann eine Ahnung davon schenken, was Maria von Magdala am Grab Jesu erlebt hat.
Dazu braucht es aber das Entgegenkommen – zu dem unter all den Jüngern übrigens anfangs nur Maria Magdalena in der Lage war. Hätte sie auch daheim gesessen, badend im Selbstmitleid, hätte sie nicht erfahren, wie heilsam dieses „Maria“ nach der Grabesruhe war.
Als Die Mutter nach der Muh-Lektion
wieder mit ihrer Tochter gesprochen hat, war die Tochter erleichtert.
Miteinander sprechen heilt.
Man weiß
heute, dass schon ganz kurze Gespräche und Begegnungen, sogenannte „Micro
Interactions“, sehr zur Lebenszufriedenheit beitragen können. Manchmal kann es
schon eine gute Wirkung haben, jemandem beim Namen zu nennen und damit zu
sagen: „Ich nehme dich als Mensch wahr“. – Gelegenheiten dazu wird es heute
vermutlich viele geben.
Viel Freude dabei wünscht Ihnen Manuel Klashörster aus Delbrück.