Beiträge auf: wdr3
Kirche in WDR 3 | 07.05.2025 | 07:50 Uhr
Es reicht!
Ausgebrannt verkriecht er sich in den hintersten Winkel der Welt. Einen Tag lang läuft er immer weiter in die Wüste hinein. Alles hat er gegeben, dieser leidenschaftliche Prophet Elija. Jetzt ist er des Kämpfens, ja des Lebens müde. „Es ist genug! Es reicht!“[1] schreit es aus ihm heraus. „Lasst mich alle in Ruhe. Ich kann nicht mehr!“ Elijas Zusammenbruch ereignete sich vor etwa 2.800 Jahren.
1960, also erst vor 65 Jahren, schrieb Graham Greene seinen Roman „A burn-out case“, „Ein ausgebrannter Fall“. Da ist ein moderner Kirchenarchitekt von seiner Arbeit, von all dem Unverständnis und auch vom Ruhm so erschöpft, dass er im hintersten Winkel des afrikanischen Urwalds untertaucht.
Seit den 70er Jahren ist der Anglizismus Burn-out in unsere Alltagssprache eingewandert. Ein schwammiger „Oberbegriff für bestimmte Arten von persönlichen Krisen, die als Reaktion auf andauernden Stress und Überlastung auftreten“[2]. Mittlerweile sind die Angebote zur Stressbewältigung unüberschaubar. Ebenso die Zahl der Ausgebrannten. Sogar Institutionen wie der Staat, die Parteien, Schulen und Kirchen erscheinen wie ausgebrannt. Menschen in solchen Institutionen sind besonders gefährdet, auszubrennen.
Da wirkt auf mich die 2800 Jahre alte Reaktion
des Propheten Elija wie ein erster Schritt in die richtige Richtung: „Es
reicht! So geht‘s nicht weiter.“ Lange genug hat so jemand seine Widerstandskraft
bewiesen und war vielleicht noch stolz darauf. Ständig hinzukommende
Belastungen werden auf eigene Kosten ausbalanciert – bis endlich klar wird: Ich
will in dieser Weise nicht länger resilient sein und Dinge ausbalancieren, die
in der Institution nicht bearbeitet und entschieden werden. Es ist genug!
Es braucht jetzt einen Reset. Eine
Neuorientierung, die über die erlebte Enge hinausgeht. Das geht nicht ohne Auszeit. Die ist
kein Urlaub, eher eine Wüste. Wo das Gewohnte wegbricht, klafft ein Vakuum. Da geht nur noch das nackte Vertrauen,
das keine Sicherheit mehr hat. Positiv gewendet: Es ist eine Ausbildungszeit in
Vertrauen. In diesem Vakuum ist nichts mehr zu machen, aber Entscheidendes zu
lernen: neu vertrauen, zitternd vertrauen, durch das Vakuum hindurch vertrauen.
Das ist riskant und schmerzt. Aber ohne Geburtsschmerzen kein neues Leben, auch
keine neue Lebensphase. Und dann ganz allmählich der Durchbruch: Welches Glück, wieder ein Anfänger zu
sein!
Gott, mir geht es wie dem Prophet Eljia. Die starken Bilder von mir und die mächtigen Bilder von Dir sind mir längst abhandengekommen. Doch mehr denn je, bewegt mich die Ahnung: Ich bin nie ohne Dich! Darauf vertraue ich. Und so freue ich mich, noch im Älter-werden ein Anfänger zu sein.
Aus Aachen grüßt Georg Lauscher.
[1] Vgl. 1Kö 19,4. [2] Wikipedia.