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Kirche in WDR 3 | 09.05.2025 | 07:50 Uhr
Augustinus-Regel für Papst Leo XIV.
Das neue Oberhaupt der Katholischen Kirche ist gewählt: Papst Leo XIV. Und es ist wieder ein Ordensmann, diesmal aus dem Orden der Augustiner. Dessen Generaloberer war er 12 Jahre lang, allerdings als Pater Robert Francis Prevost. Mich freut das sehr, denn sein Orden beruft sich auf den heiligen Augustinus, einen der größten christlichen Theologen der Kirchengeschichte. Und der hat auch eine Ordensregel geschrieben. Nach der leben nicht nur die Augustiner, also der Orden des neuen Papstes, sondern auch die Prämonstratenser, also der Orden, dem ich angehöre. Und das verbindet! Denn die verschiedenen Kapitel der Ordensregel versuchen das Leben in Gemeinschaft zu strukturieren.
Interessant ist, was Augustinus über das Oberhaupt einer Gemeinschaft sagt, denn das scheint mir aus meiner Ordenserfahrung sehr realistisch zu sein. Es zeugt von ziemlicher Lebensweisheit und ist richtungsweisend – auch für einen Papst. Es heißt da:
„Euer Oberer soll sich nicht deshalb glücklich schätzen, weil er kraft seines Amtes gebieten (vgl. Lk 22,25-26), sondern weil er in Liebe dienen kann (vgl. Gal 5,13). Aufgrund eurer Hochachtung soll er unter euch herausgehoben sein, doch aufgrund seiner Verantwortlichkeit vor Gott soll er sich als der Geringste von euch einschätzen. Allen soll er durch gute Werke ein Beispiel geben (Tit 2,7): Er soll diejenigen, die ihre Arbeit vernachlässigen, zurechtweisen, den Ängstlichen Mut machen, sich der Schwachen annehmen, mit allen Geduld haben (1 Thess 5,14). Er selber soll die Richtlinien der Gemeinschaft in Ehren halten und auch bei den anderen auf Beachtung drängen. Wiewohl beides in gleicher Weise nötig ist, soll er mehr darauf bedacht sein, von euch geliebt als gefürchtet zu werden. Er soll stets daran denken, dass er vor Gott für euch Rechenschaft ablegen muss (Hebr 13,17).“
Soweit aus der Ordensregel des Augustinus. Ich weiß, das klingt sehr anspruchsvoll. Ist es auch. Und Papst Leo wird das alles sicherlich gut kennen und es wird ihn in seinem bisherigen Leben als Ordensmann sicherlich geprägt haben. Und so verstehe ich auch seinen bisherigen Wahlspruch, den er sich bereits als Bischof ausgesucht hat. Auch der geht wieder auf den heiligen Augustinus zurück und lautet: “Nos multi in illo uno unum”, zu Deutsch: „In diesem einen (Christus) sind wir vielen eins“. Was hier beschrieben wird ist ein Ziel: die Einheit der vielen. Und daran zu arbeiten, das ist eine der schwierigsten Aufgaben nicht nur in einem Kloster, sondern in jeder Gemeinschaft und damit auch in der Kirche. Und damit wird das sicherlich eine der größten Herausforderungen für Papst Leo in der Zukunft sein: die vielen Gruppen und Meinungen bei aller Verschiedenheit in der Kirche zusammenzuhalten und zwischen ihnen Brücken zu bauen. Denn so lautet ja ein uralter Titel des Papstes: Pontifex Maximus, Oberster Brückenbauer.
Brücken zu bauen, Einheit in Verschiedenheit zu stiften, das ist nicht nur die Aufgabe des Papstes oder sonst eines Oberhauptes im Kloster. Um Vermittlung und Einheit müssen sich alle kümmern. Daher ein letztes Zitat aus der Ordensregel des heiligen Augustinus. Da mahnt er die Mitbrüder unmissverständlich, wenn sie auf ihren Oberen blicken:
„Habt nicht nur mit euch selbst Erbarmen, sondern auch mit eurem Oberen. Denn auch für eure Gemeinschaft gilt: Je höher einer gestellt ist, desto größer ist auch die Gefahr, in der er lebt!“
Und so wünsche ich Papst Leo als neuem Oberhaupt der Kirche viel Kraft für seinen Dienst an und in der Kirche und vor allem Gottes Segen.
Aus Duisburg grüßt: Pater Philipp Reichling.