Beiträge auf: wdr4
Kirche in WDR 4 | 11.06.2025 | 08:55 Uhr
Freude und Freundlichkeit
Guten Morgen.
„Erst verschwand das Lachen, dann das Lächeln.“
Dieser Satz eines rumänischen Philosophen beschreibt treffend, wie Menschen und ganze Gesellschaften zu gewissen Zeiten ihre Offenheit verlieren. (1)
Erst verschwindet die Freude, dann die Freundlichkeit.
Das kenne ich manchmal auch von mir.
Wenn ich grummelig werde. Ein Graufilter sich auf meine Seele legt.
Und mein Lächeln allenfalls noch die Lippen umspielt, aber nicht mehr die Augen erreicht.
In dieser Pfingstwoche feiern wir als Christinnen und Christen genau das Gegenteil:
Gott schenkt uns seinen Geist, seine Gaben.
Und Freude und Freundlichkeit stehen dabei bei Gott ganz oben auf der Liste.
Der Kabarettist Hanns Dieter Hüsch, der fast genau auf den Tag vor 100 Jahren in Moers geboren wurde, drückte das in einem seiner Gedichte einmal so aus:
„Ich bin vergnügt, erlöst, befreit.
Gott nahm in seine Hände meine Zeit,
mein Fühlen, Denken, Hören, Sagen,
mein Triumphieren und Verzagen,
das Elend und die Zärtlichkeit.“
Vergnügt, erlöst, befreit –
das ist etwas anderes als bloßer Spaß oder höfliche Umgangsformen.
Keine aufgesetzte Ausgelassenheit oder antrainiertes Geschäfts-Lächeln.
Das begegnet mir vielmehr, wenn ich Gottes tiefe Liebe erfahre, als Freund von uns Menschen.
Gott sieht mich freundlich an – mein Leben mit all seinen Höhen, Tiefen, Macken, Kanten – und lächelt mich an. Und ich kann gar nicht anders, als zurückzulächeln.
Ein tiefes Lebens-Lächeln. Vergnügt, erlöst, befreit.
Das kann ich nicht machen, sondern es widerfährt mir.
Wenn sich mir die Pointe von Gottes all-umfassender Liebe wirklich erschließt.
Und davon spiegelt sich dann etwas wider: In der Art, wie ich, wie wir anderen umgehen.
„Erst verschwand das Lachen, dann das Lächeln.“
Das geschieht allzu oft im Alltag.
Einander freundlich zulächeln. Das hat dagegen etwas geradezu Entwaffnendes.
Und es stärkt eine offene, menschenfreundliche Gesellschaft.
Ich mag diesen Gedanken einer lächelnden Lebensfreundlichkeit.
Das klingt nicht so groß und schwer wie „Nächstenliebe“.
Lächelnde Lebensfreundlichkeit ist die etwas kleinere Münze.
Und ich kann sie leichter im Alltag umsetzen. Probieren Sie es einfach einmal aus:
Mit Ihrem Gegenüber in der Straßenbahn, Ihrer Kollegin in der Kantine, Ihren anstrengenden Nachbarn von nebenan.
Stellen Sie sich nun einmal vor, wie Gott diesen Menschen liebevoll ansieht. Genau wie Sie.
Und achten Sie dann einmal darauf, was mit Ihren Grübchen passiert.
Und mit den Grübchen Ihres Gegenübers.
Und wenn dann doch wieder die grummeligen Gedanken in mir hochkommen:
Kein Problem. Das ist normal.
Mein Tipp: Einfach bei Gott wieder auftanken.
Gottes Freundlichkeit ist etwas, was mich neu leben, lieben, tanzen lässt.
Ich wünsche Ihnen einen vergnügt freundlichen Tag!
(Ende WDR 4, Verabschiedung für WDR 3 und 5:)
Ihr Thorsten Latzel, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland aus Düsseldorf.
Quellen:
(1) Vgl. Emil Cioran: Vom Nachteil, geboren zu sein. Frankfurt a. M. 1979, S. 61.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze