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Kirche in WDR 4 | 19.06.2025 | 08:55 Uhr
Fast ein Fest vergessen
Kennen Sie dieses peinliche Gefühl, wenn Sie einen Geburtstag vergessen haben? Und zwar nicht von irgendwem – sondern von einer Person, die Ihnen ganz wichtig ist? Vielleicht waren Sie zu beschäftigt, um dran zu denken. Vielleicht kam etwas Tragisches dazwischen. In jedem Fall: Da will man ja am liebsten im Boden versinken…
Klar doch, dass dann dick aufgetragen wird beim Nachgratulieren: mit nem extra großen Strauß Blumen, mit ner dicken Torte, oder vielleicht sogar mit was Teurem vom Juwelier etwa. Aber: besser später gratulieren als ganz vergessen. Wissen Sie: Ungefähr so erkläre ich mir Fronleichnam. Das ist das Fest, das die Katholiken heute feiern. Denn: An Fronleichnam feiert die katholische Kirche etwas nach. 1200 Jahre hat es gebraucht, bis die Kirche darauf gekommen ist.
Und es war ausgerechnet eine Frau, die die Kirche daran erinnert hatte: Seit 1209 hat die Augustinernonne Juliane von Lüttich Visionen. Wo? Klar: in Lüttich, Belgien – sagt ja der Name. Und in ihren Visionen fällt ihr wie Schuppen von den Augen: Wir feiern im Kirchenjahr ja gar nicht ordentlich die Eucharistie, also das Abendmahl Jesu, bei dem er Brot und Wein reicht als sein Leib und sein Blut!
Also klar: Bei jeder Eucharistie-Feier, also bei jeder Messe, wird Abendmahl gefeiert. Und vielleicht war deshalb auch keiner vorher darauf gekommen. Aber: Ausgerechnet an dem Tag, als Jesus das Abendmahl feiert da ist eigentlich keine Geburtstagsstimmung. Da stehen schon alle Zeichen auf Leiden und Tod. Denn: das Abendmahl fand ja statt am Abend vor Jesu Tod, am sogenannten Gründonnerstag. Klar, dass der Gottesdienst am Gründonnerstag keine Jubelveranstaltung ist, sondern einstimmen will auf das, was tags drauf folgt: die Kreuzigung.
Juliane von Lüttich weiß das natürlich alles. Aber sie denkt sich: Wenn die Christen am Gründonnerstag das Abendmahl aus guten Gründen nicht „happy-clappy“ feiern, dann muss das halt irgendwann mal nachgeholt werden. Immerhin ist das Abendmahl mit dem Brot, das zentrale religiöse Zeichen, das Katholiken weltweit vereint. Aber bis sich das als Fest dann tatsächlich etabliert, brauchte es noch etwas. Die Männer in der Kirche haben nicht gleich gejubelt über die Idee der frommen Frau aus Lüttich. Juliane war schon tot. Dann aber wurde ausgerechnet einer Papst, der zuvor für einige Zeit in Lüttich tätig war und die Idee von Juliane von Lüttich kannte: Papst Urban IV. 1264 setzt er das Fest der Eucharistie allgemein verbindlich für die katholische Kirche ein. Und damit kommt das Abendmahl Jesu noch einmal ganz anders zur Geltung!
Das ist den Katholiken wichtig, ja, ist ihnen heilig. Und sie feiern heute dieses heilige Brot vielleicht eine Spur zu dick aufgetragen: mit Blumenteppichen, Blasmusik, den festlichsten Gewändern und natürlich mit der teuren Monstranz –also einem Schaugefäß, in dem das Brot als kleine runde Scheibe gezeigt wird. Und ich weiß: vielen ist das alles eine Spur zu katholisch „happy clappy“.
Aber: Man muss die Feste eben feiern, wie sie fallen – auch wenn es einem mit Verspätung einfällt. Besser Nachfeiern als ganz vergessen.