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Kirche in WDR 4 | 02.07.2025 | 08:55 Uhr
prächtig vergänglich
Wenn ich Dahlien sehe, denke ich: Du hast es einfach drauf, Gott! Dahlien sind für mich so eine Art Gottesbeweis. Weil weder Mensch noch Maschine sowas Herrliches hinbekommt wie diese Blumen: Etliche Blütenblätter, jedes Einzelne kunstvoll gebogen und in allerschönsten Farben, finden sich da in mehreren Reihen zu einer Blume zusammen.
Ich finde ja: Jede einzelne ist museumsreif. Aber: eben nicht museumsfähig. Denn die Pracht verblüht ja in wenigen Tagen. Und seit ein paar Wochen weiß ich: Diese Vergänglichkeit gehört dazu. Ich habe mir nämlich künstliche Dahlien gekauft. Ich wollte mich unbegrenzt an der Schönheit meiner Gottesbeweis-Blumen erfreuen. Und für Kunstblumen, sind die echt gut getroffen. Und trotzdem: Die stehen jetzt mitten auf dem Esstisch und ich gehe achtlos vorbei. Gottesbeweis? Nee, eher „Stehrümchen““. Mit echten Dahlien wäre mir das nie passiert. Da grinse ich unwillkürlich, wenn ich sie sehe. Geht gar nicht anders. Dieses Projekt „ewige Schönheit“ ist also gescheitert. Das Wissen darum, dass dieser Moment sehr bald vorbei sein wird, wenn so eine Blume voll in der Blüte steht, das gehört mit zu meiner Freude und Bewunderung.
Nun bin ich ja keine Floristin sondern Theologin und als solche weiß ich: In der Bibel ist auch von etlichen Pflanzen die Rede. Von Lilien zum Beispiel. Jesus sagt in seiner berühmten Bergpredigt: „Lernt von den Lilien des Feldes, wie sie wachsen: Sie arbeiten nicht und spinnen nicht. Ich sage euch, selbst König Salomo war in seiner ganzen Herrlichkeit nicht so prächtig gekleidet wie eine von ihnen.“ In dieser Rede wollte Jesus Mut machen, mehr auf Gott zu vertrauen. Die wahre Schönheit zu sehen, die aus einem selbst kommt, wie aus jedem Geschöpf. Und diese Pracht kann sich keiner kaufen, auch kein König oder Multimilliardär. Jesus schwärmt von der Pracht der Lilien, wie ich von den Dahlien und schließt daraus: Wenn Gott diesen Pflanzen alles gibt, was sie brauchen, wie könnt Ihr dann glauben, dass er Euch Menschen vergisst?
Nun geht es Menschen wie allen Geschöpfen: Es gibt die prächtigen Zeiten. Da fällt es leichter zu vertrauen, dass Gott uns alles schenkt. Wasser, Erde, Sonne, Luft und Liebe, Essen, Kunst, Lebensfreude, Gesundheit und gute Beziehungen satt. Und es gibt die dürren, dunkleren, einsamen Zeiten. Da kann das Vertrauen ins Wanken kommen. Werde ich jemals wieder Blütenzeiten erleben?
Dahlien halten übrigens jedes Jahr bis zum ersten Frost durch. Die braune, unscheinbare Knolle, die tief in der Erde steckt, sammelt so lange Nährstoffe, Kräfte für die kalte Zeit, die dann ansteht und für das, was ihr danach blüht. Blühen und Kräftesammeln: das ist der Wechsel des Lebens.
Ich geb zu: Dahlien können nicht beweisen, dass es Gott gibt. Aber sie erzählen von ihm. Und davon, dass Gott Wort hält. Er sorgt für Lebensbedingungen, für Vielfalt, für Wachstum und dafür, dass es weitergeht. Selbst wenn diese braunen Knollen im kalten Winterkeller so gar nicht nach Pracht aussehen: In ihnen ist Leben. Denn das bedeutet Vergänglichkeit: Es geht anders weiter.