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Kirche in WDR 4 | 05.04.2014 | 08:55 Uhr
Sterben, das Frucht bringt
Lieber Hörer, liebe Hörerin,
wenn es um Sterben und Tod ging, wurden die Konfirmandinnen und Konfirmanden jedes Mal mucksmäuschenstill. Ich erinnere mich noch, wie ich von einer schwierigen Beerdigung in den Unterricht kam. Meine Gedanken waren noch ganz bei dem, was ich eben erlebt hatte. Kurzerhand beschloss ich, dies zum Thema zu machen. Ich erzählte den Konfis, wie erschüttert ich über den Tod der jungen Mutter war; wie ich um angemessene Worte gerungen hatte für ihre drei kleinen Kinder, für den Ehemann und die vielen Freunde. Konzentrierte Spannung im Raum. Auch diejenigen, die sich sonst für nichts zu interessieren schienen, waren bei der Sache. „In unserer Straße ist vorgestern ein Junge gestorben, so alt wie ich“, sagte einer. Und eine andere: „Meine Oma war schon über neunzig. Und trotzdem ist es schlimm für mich, dass sie jetzt nicht mehr da ist.“ Selten kamen wir einander im Unterricht so nah wie in diesen Momenten. Ich ließ sie Bilder malen. Einer malte ein großes schwarzes Nichts. Eine füllte das Blatt mit einem riesigen Fragezeichen. Eine Dritte färbte ihr Blatt ganz schwarz, in der Mitte ließ sie ein helles Loch und malte es leuchtend gelb aus. Das Thema Sterben und Tod brachte sie alle ins Schwanken – wie die Erwachsenen auch. Sterben macht den meisten zuerst einmal Angst. Der Tod ist unheimlich, weil er sich nicht fassen lässt. Der Tod ist wie der Mond, sagt ein afrikanisches Sprichwort, niemand hat seinen Rücken gesehen.
Von jeher haben Menschen sich Bilder vom Tod gemacht. Ein bekanntes Bild ist der Sensenmann. Irgendwann kommt er und hält Ernte. Schneidet die Halme ab und sammelt sie ein. Zurück bleibt ein kahles, leeres Stoppelfeld. Wer stirbt, wird vom Leben abgeschnitten.
Die Bibel kennt ein verblüffend anderes Bild: Wer stirbt, sät Samen aus.
Sie gehen dahin und weinen und streuen ihren Samen, heißt es in einem alten biblischen Gebet. (Psalm 126,6) Wer sät, wirft kostbares Saatgut mit vollen Händen weg. Wer sät, gibt fort, trennt sich, lässt los. Wer sät, weiß nicht, ob er je etwas davon wiedersieht. Im Alten Orient sagt man: Wer sät, soll dabei weinen.
Soll Tränen vergießen über das Verlorene und Unverfügbare. Tränen der Ohnmacht. Wer stirbt, sät Samen aus und weint.
Ein trauriges Bild – und zugleich voller Hoffnung. Denn wer sät, der hofft, dass die Saat aufgeht, dass neues Leben sprießt. Jesus selbst hat seine Liebe so verschwendet und ausgestreut. Zu Kleinen und Unwichtigen ist er gegangen.
Um Benachteiligte und Zukurzgekommene hat er sich gekümmert. Hat Kranke geheilt. Verzweifelten neuen Lebensmut geschenkt. Bis in sein Sterben hinein. Und durch den Tod hindurch. Als Jesus mit seinen Jüngern über seinen Tod spricht, nimmt er das Bild vom Säen auf. Er sagt: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein, wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht. (Johannes 12,24)
Jesus spricht von seinem eigenen Sterben. Dieses eine Sterben wird den Tod für alle Menschen verändern. Weil Gott selbst darin ist.
Ein Lied in unserem Evangelischen Gesangbuch singt davon: Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt, Keim, der aus dem Acker in den Morgen dringt. Liebe lebt auf, die längst erstorben schien: Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün. (eg 98)
Eine Konfirmandin hat dieses Lied zu ihrem Lieblingslied erklärt.
„Weil es Tod und Liebe verbindet. Das tröstet“, sagte sie.
Einen guten Tag wünscht Ihnen
Ihre
Annette Kurschus, Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen.