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Kirche in WDR 4 | 15.07.2014 | 08:55 Uhr
Der Prolog der Regel – das Hören
Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,
„wer nicht hören will, muss fühlen“, so heißt ein bekanntes Sprichwort. Wenn ich „hören“ mit „aufmerksam sein“ übersetze, dann stimmt das wohl auch irgendwie. Wo ich nicht genug hinhöre, nicht aufmerksam genug bin, bekomme ich oft nicht mit, was mit mir los ist oder wie ich auf Andere wirke. Wenn ich die Signale meines Körpers übergehe, werde ich auf Dauer Probleme haben. Wenn ich die Zwischentöne eines Gespräches nicht höre, verstehe ich vielleicht eine wichtige Botschaft nicht, die mir jemand anders geben will.
Hören, aufmerksam sein, ist etwas, was zur richtigen Einschätzung, zum richtigen Urteil beiträgt. So wundert es nicht, dass das Hören auch im religiösen Feld eine wichtige Voraussetzung für gutes Verstehen ist. Das wird schon in der Bibel beschrieben: Mit dem Wort „Höre“ beginnt die Verkündigung der Weisung Gottes an das Volk Israel auf dem Berg Sinai. Und im Neuen Testament sagt Jesus mehrmals, etwas rätselhaft aber nicht weniger bestimmt: „Wer Ohren hat zu hören, der höre.“
Vor mehr als eineinhalbtausend Jahren hat der Heilige Benedikt ein Buch geschrieben, das noch immer zu den größten Werken des geistlichen Lebens gehört. Ich meine die sogenannte „Regel des Heiligen Benedikt“. Heute leben über 1400 Gemeinschaften des Benediktiner- und des Zisterzienserordens unter dieser Regel. Wer sich mit ihr beschäftigt, findet gute Impulse für das eigene Leben mit Gott, denn die Regel ist so etwas wie eine „Kurzfassung der Heiligen Schrift“ . In ihren wesentlichen Zügen vermittelt sie eine christliche Spiritualität, obwohl sie für das Leben im Kloster formuliert ist.
Es wird Sie, liebe Hörerinnen und Hörer, jetzt nicht mehr wundern, dass Benedikt die Regel für die Mönche seines Klosters auch mit dem eindeutigen Ruf beginnt: Höre! Wer im Kloster lebt, und noch allgemeiner: wer ein Leben mit Gott führen will, für den ist Aufmerksamkeit eben die wichtigste Voraussetzung, damit der Glaube lebendig bleibt.
Benedikt beginnt die Regel mit folgenden berühmten Worten:
Sprecher:
„Höre, mein Sohn, auf die Weisung des Meisters, neige das Ohr deines Herzens, nimm den Zuspruch des gütigen Vaters willig an und erfülle ihn durch die Tat!“
Hören mit dem Herzen ist hier gemeint. Eine schöne Variante des Wortes Aufmerksamkeit. Um in dieses Hören mit dem Herzen hineinzufinden, kann es helfen, mit Dingen zu rechnen, die ich nicht geplant habe, für Überraschungen offen zu sein, die mich herausfordern. Es kann helfen, bewusster auf die kleinen Dinge, die leisen Töne oder die Zwischentöne zu achten, die manchmal hinter den vordergründigen Lauten stecken. Das braucht Übung und Geduld. Und die Bereitschaft, immer wieder von meinen eigenen Plänen und Ideen abzusehen. Dahinter steht das Vertrauen, dass Gott weiß, was gut ist für uns.
Liebe Hörerinnen und Hörer! Ich wünsche Ihnen heute, dass Sie an einem Punkt dieses Tages die Erfahrung des Hörens machen und auf eine Überraschung stoßen, die Sie weiter und Gott näher bringt. Aus Paderborn grüßt Sie Domvikar Michael Bredeck.