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Kirche in WDR 4 | 18.09.2014 | 08:55 Uhr
Dennoch
Guten Morgen! Es ist ein klitzekleines Wort. Dennoch. Ich entdeckte es kürzlich neu, als ich einen Psalm in der Bibel las. Ich blieb dran hängen. Dennoch-Geschichten. Die höre ich fast täglich: Dennoch bin ich geblieben sagen die Leute: bei meiner Familie, bei meinem Arbeitgeber, in der Kirche. Dennoch – da schwingt vieles mit:
Ein bisschen Trotz: Du bist zwar manchmal richtig anstrengend, trotzdem bleib ich bei dir… nach so vielen Jahren trennt man sich ja nicht so leichtfertig…
Eine Phase reiflicher Überlegung: Wenn ich es genau betrachte: Eine Arbeit mit so viel Gestaltungsspielraum kriege ich so schnell nicht wieder. Die Überstunden – die lassen sich bestimmt noch in den Griff kriegen.
Und wenn es um den Glauben geht, schwingt beim „dennoch“ eine ganz gehörige Portion Hoffnung mit: Am Ende wird Gott es gut machen.
„Dennoch bleibe ich stets an dir, denn du hältst mich bei meiner rechten Hand. Du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich am Ende mit Ehren an.“ (Psalm 73,23-24) Das sagt schon ein Autor in der Bibel zu Gott. Er hat ein ganz individuelles Problem. Er verzweifelt fast an den Widersprüchen des Lebens. Den Gottlosen, die sich um ethische und moralische Grundsätze nicht scheren, denen geht es gut. Und er, der Zeit seines Lebens versucht hat, fromm und rechtschaffen zu leben, er zerbricht fast an dem, was das Leben ihm zumutet. Das kann doch nicht sein, dass es mir so schlecht geht, wo ich doch als Gerechter lebe. Eigentlich müsste es doch gerade mir gut gehen, als Zeichen dafür, dass ich so lebe, wie es Gott gefällt. So dachte man jedenfalls in biblischen Zeiten. Der Beter sucht für sich nach einer Lösung und er kommt zu dem Schluss: Am Ende, wenn Gott urteilt, dann werden bestimmt die Gottlosen vergehen und mich wird Gott „mit Ehren annehmen“. Fest überzeugt von einer solchen ausgleichenden Gerechtigkeit im Jenseits muss er nicht mehr hadern, kann er dennoch sagen, dennoch bleibe ich stets an dir, Gott.
Christlicher Glaube war immer schon ein Dennoch-Glaube. Ein Glaube trotz aller Widrigkeiten. Manchmal kann man ja auch verzweifeln, dann kommt vieles zusammen. Da fragt man sich: Wie kann es sein, dass jetzt an allen Ecken und Enden Kriege ausbrechen in der Welt? Oder: Was ist denn da in meiner Kirche los? Und dann kommt noch im Privaten manche Anfechtung. Vielleicht wird man krank oder macht sich Sorgen um die Kinder oder ist allein und hadert mit seinem Gott. Da kann schon mal so viel zusammenkommen, dass der Glaube darin unterzugehen droht.
Dann ist es gut zu wissen: Ich gehöre zu einer Gemeinschaft von Christen, denen es auch immer wieder mal so geht. Die Kirche, das ist doch eine Dennoch-Gemeinschaft. Da treffen sich lauter Menschen, die auch mal zweifeln an ihrem Gott, die manches falsch finden, was in ihrer Kirche und in der Welt passiert und die auch manches falsch machen.
Denn Kirche, das sind ja nicht andere, das ist die Gemeinschaft aller Glaubenden. Zu der gehöre ich mit all den Zweifeln dazu. Anders gibt es Glauben nicht. Nur mit dem kleinen Wörtchen „Dennoch“ versehen. Das Dennoch des Glaubens besteht darin, auf Gott zu vertrauen. Trotz aller Erfahrungen, die Zweifel nähren und den Glauben in Frage stellen.
Dass Sie auch heute mutig „Dennoch“ sagen können, das wünscht Ihnen Ihre Barbara Schwahn, Pfarrerin aus Düsseldorf.