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Sonntagskirche | 09.11.2014 | 08:55 Uhr

Zerissen

Manchmal könnten wir unseren Hund zum Mond schießen: Wenn er wieder mal sein Ding macht und überhaupt nicht hören will. Andererseits erfreut er uns täglich neu. Seine strahlenden Knopfaugen lassen uns immer wieder dahinschmelzen. Manchmal sind wir hin- und hergerissen, geradezu zerrissen.

Auch dieser Tag – der 9. November und der Schicksalstag der Deutschen – zerreißt mich. Einerseits empfinde ich eine unendliche Scham für das, was wir 1938 unseren jüdischen Mitbürgern in der Pogromnacht und darüber hinaus angetan haben. Die Berichte kenne ich als „Nachgeborener“ ja nur aus zweiter Hand. In Israel sprach ich mit Überlebenden des Holocaust. Dass es nach all diesen Gräueltaten überhaupt noch zu Gesprächen kommt, halte ich schon für bemerkenswert. Nach alldem, was unsere jüdischen Mitbürger erleiden mussten.

Es ist furchtbar, was damals und auch heute noch Menschen einander antun.

Es ist grausame Realität, was die Protestsängerin Joana bereits in den 70er Jahren in ihrem Lied: „Lupus, Lupus“ gesungen hat: „Der Mensch ist doch des Menschen Wolf. Erst tötet er, dann spielt er Golf.“

Während der Vorbereitung zu dieser Andacht schockieren mich die Bilder in den Nachrichten über das barbarische Vorgehen der Terrororganisation IS - vor allem im Irak und in Syrien. Wieder werden Andersgläubige und Regimegegner einfach beseitigt. Wieder wird die eigene „Wahrheit“ absolut gesetzt und andersdenkende Menschen einfach ausradiert.

Andererseits fiel auf den Tag genau heute vor 25 Jahren die Mauer in Berlin. Wir Deutsche erlebten buchstäblich ein Wunder. Niemand hatte damit gerechnet. Den Fall der Mauer konnte keiner vorhersehen. Kerzen und Gebete brachten das totalitäre Regime der DDR zu Fall. Ich habe noch die Bilder von den Montagsdemonstrationen in den Nachrichten vor Augen, wo Tausende friedlich durch die Straßen zogen und skandierten: „Wir sind das Volk!“ Was für ein machtvoller, friedlicher und alles verändernder Satz der Solidarität.

Am heutigen Abend vor 25 Jahren fiel der berühmte Satz von Günter Schabowski vom Politbüro des Zentralkomitees der SED. Gefragt, wann das überarbeitete Reisegesetz in Kraft treten wird, sagte er: „Das tritt nach meiner Kenntnis ... ist das sofort, unverzüglich ...“(1) Auf diesen live im DDR-Fernsehen übertragenen Satz hin beginnen Ost-Berliner, scharenweise an die Grenzübergänge zu strömen. So zerbricht langsam, aber letztlich unaufhaltsam diese unmenschliche Mauer zwischen uns Deutschen.

Was für ein Gefühlschaos: Angesichts des furchtbaren Völkermords und der friedlichen Revolution mit Kerzen und Gebeten? Wie bekommen wir das zusammen? Kann man das überhaupt gleichzeitig bedenken: Völkermord und Versöhnung, Rassenhass und Wiedervereinigung? Der 9. November lässt mich jährlich ratlos zurück – zutiefst beschämt und unendlich dankbar.

Ich sehe mich an diesem Tag 1989 zusammen mit meiner Frau weinend vor Freude vor dem Fernseher sitzen. Und zugleich sehe ich mich bei einer der jährlichen Gedenkveranstaltung auf dem Platz der ehemaligen jüdischen Synagoge in Krefeld und höre das Kaddisch, das jüdische Totengebet angesichts des unfassbaren Grauens – der Ermordung von 6 Millionen Juden.

Dieses Gebet ist im Wesentlichen eine Lobpreisung Gottes. Und vielleicht trifft das Gebet so den Kern dieses Schicksalstages von uns Deutschen: Lobpreis unter Tränen.

Einen bedenkenswerten Sonntag wünscht Ihnen Ihr Pastor Siegfried Ochs aus Kierspe.

( 1) http://www.youtube.com/watch?v=TQiriTompdY

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