Lebensbaum

Guten Morgen! Manchmal frage ich mich, ob diese Erde wirklich noch zu retten ist - und zweifle daran.

Sprecherin: Denn die Erde jagt uns auf den Abgrund zu. Doch der Himmel fragt uns: Warum zweifelst du? Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehen. Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn. (1)

Diese Zeilen stammen aus einem Kirchenlied, das Christen in der Passionszeit singen „Holz auf Jesu Schulter“ heißt es und erinnert an das Leiden und Sterben Jesu am Kreuz. Wir sind mitten drin in dieser Passionszeit. Und viele – nicht nur Christinnen und Christen – haben das Gefühl: Die Erde jagt mit uns und durch uns auf den Abgrund zu.

Das Kirchenlied beschreibt das. Und schließt eine Bitte an: Gott, erbarme dich – Kyrie eleison - sieh wohin die Menschheit geht. Ruf uns aus den Toten, aus der Lähmung. Lass uns aufstehen gegen den Wahnsinn, den wir selbst in die Welt bringen. Das Kirchenlied kreist um ein Bild. Nämlich: das Kreuz Jesu als Lebensbaum, als Baum, der Früchte trägt. Das Kreuz war einst das Symbol römischer Macht und Herrschaft. Ein Hinrichtungsinstrument. Jetzt wird daraus ein „Baum des Lebens“. Ein Hinrichtungsinstrument wird zum Lebensbaum. Was für eine wunderbare Umdeutung! Schon im frühen Mittelalter haben die Christen das Kreuz Jesu als Lebensbaum dargestellt. Da ist das Kreuz oft in der Form eines Astes – oder Baumkreuzes zu sehen, von dem Zweige, Blüten und Früchte ausgehen.

Die Schöpfung leidet und Gott leidet mit ihr. Und Christen lassen sich anrühren von den Leiden der Schöpfung. So wie Gott sich anrühren lässt von den Leiden der Menschen, der Tiere und der Natur. Er selbst leidet mit am Kreuz. Wo sein Sohn gekreuzigt wird. Jesus, der Menschen und Tieren geholfen hat und von seinem Weg der Liebe nicht abwich, bis zum Tod. Für diese hingebungsvolle Liebe steht das Kreuz auch. Und wir? Wie leben wir?

Sprecherin: Denn die Erde jagt uns auf den Abgrund zu. Doch der Himmel fragt uns: Warum zweifelst du? Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehen. Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn.

Ob all die kleinen Schritte, die ich als umweltbewusster Mensch in meinem Alltag tue, überhaupt Früchte tragen, frag ich mich. Was ich in den Medien höre oder lese, ist ja eher niederschmetternd. Umso mehr freue ich mich deswegen über gute Nachrichten! Zum Beispiel diese: Vor kurzem feierte der ökumenische Umweltkreis in Hennef an der Sieg sein 25-jähriges Bestehen. Ein Vierteljahrhundert lang haben Christen aus der evangelischen und aus der katholischen Kirchengemeinde das Bewusstsein ihrer Gemeinden geschärft und manches auf den Weg gebracht. Für das Jahr 2015 plant der Kreis bereits ein neues Projekt. Es soll ein so genanntes „Repair-Cafe“ eingerichtet werden. Dort kann man hingehen, wenn man ein defektes Elektrogerät, Radio oder Spielzeug hat. Fachleute beraten und helfen dort kostenlos bei der Reparatur. Mit diesem Projekt wollen die Organisatoren einen nachhaltigen Wirtschaftskreislauf unterstützen. Außerdem kann man so Müll vermeiden und ein Zeichen gegen die Wergwerfmentalität setzen. Ich unterbreche und verlangsame damit bewusst die Spirale von kaufen – kaputt gehen – wegwerfen und neukaufen.

Sprecherin: Denn die Erde jagt uns auf den Abgrund zu. Doch der Himmel fragt uns: Warum zweifelst du? Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehen. Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn.

Das Kirchenlied „Holz auf Jesu Schulter“ macht mir Mut. Wenn ich es singe, festigt sich in mir der tröstende Gedanke: Einer hat den Glauben an die Menschen noch nicht verloren. Gott selbst. Er traut uns zu, dass wir etwas bewegen, dass wir aufwachen aus Lethargie, Resignation und Gleichgültigkeit. Auferstehen! Das glaubt Pfarrer Frank Küchler aus Marialinden.

(1)Evangelisches Gesangbuch (EG) 97,5 Holz auf Jesu Schulter, Jürgen Henkys 1977 nach dem Niederländischen „Met e boom des levens“ von Willem Barnard 1963.