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Kirche in WDR 4 | 27.03.2015 | 08:55 Uhr
Wellensittiche
Guten Morgen!
Wellensittiche gehören zu meinem Leben dazu. Schon als Kind hatten wir zu Hause einen solchen Vogel. Er hieß Peter und war ganz zahm. Leider ist er uns eines Tages entflogen. Ich weiß noch, wie lange ich ihn gesucht habe – vergebens. Er war weg. Jetzt habe ich sogar vier Wellensittiche: zwei grüne, einen gelben und einen blauen. Ich weiß, manche Menschen lieben Wellensittiche nicht besonders. Sie machen Dreck, vor allem wenn sie in der Mauser sind. Sie knabbern im Zimmer die Tapeten und Bücher und Pflanzen an und ihr Gesang ist nicht besonders schön, falls man ihre Laute überhaupt so nennen kann. Und trotzdem möchte ich sie nicht missen. Es ist einfach spannend, sie zu beobachten. Sie sind ja wahre Kletterkünstler, sie machen die unmöglichsten Bewegungen, zanken sich oder sind zärtlich zueinander. Es wird nicht langweilig, hinzuschauen. Bei ihnen ist immer etwas los.
Tiere zu haben, bringt natürlich auch Verpflichtungen mit sich: Meine erste Aufgabe am Morgen besteht darin, die Vögel zu füttern. Anders als in der Natur können sie sich ja nicht selbst versorgen. Ich gebe ihnen also täglich neues Futter, frisches Wasser und immer wieder auch einen Hirsekolben. Daran knabbern sie sofort. Hirse mögen sie besonders gern. Mir macht es dann Freude, ihnen zuzuschauen und sie zu beobachten.
Ich weiß zwar nicht, ob Jesus auch Vögel gern hatte, aber immerhin hat er sie auch beobachtet: Es waren natürlich nicht Wellensittiche, denn die gab es in Israel zu seiner Zeit nicht, wohl aber Spatzen. So sagt er einmal von ihnen: „Sie säen nicht, sie ernten nicht und sammeln keine Vorräte.“ Und dann ergänzt er noch: „euer himmlischer Vater ernährt sie.“ (Mt 6,26) Und diese Beobachtung dient Jesus alleine nur für einen Vergleich: „Seid ihr Menschen nicht viel mehr wert als sie?“
Jesus will doch damit sagen, dass wir Menschen Gott vertrauen können und uns nicht zu viel Sorgen machen sollten. Ein anderes Wort von ihm greift auch wieder die Beobachtung von Vögeln auf. Es lautet: „Kein Spatz fällt vom Himmel ohne den Willen des himmlischen Vaters.“ (vgl. Mt 10,29)
Auch dieser Satz unterstreicht:
Gott sorgt sich um jeden Menschen und steht ihm bei! Tatsächlich ist vor einiger Zeit wirklich einer meiner Vögel von der Stange gefallen. Er tat einen letzter Seufzer und lag dann tot auf dem Käfigboden. Wenn das in einer Familie mit Kindern passiert wäre, dann wäre das sicherlich ein großes Drama gewesen. Für manche Kinder ist der Tod eines Haustieres ja die erste Begegnung mit dem Tod überhaupt. Und häufig kommt es dann zu feierlichen Beerdigungen mit allem Drum und Dran und das hilft den Kindern wie bei einer Trauerarbeit.
Ich habe mich schon oft gefragt: Was wird nun aus dem Tier, wenn es gestorben ist? Hat es eine Seele und die ist dann einfach weg, ins ewige Nichts versunken? Kann ich mir das vorstellen? Kann ich mir vorstellen, dass Gott seine Schöpfung der Vernichtung anheim gibt? Ich glaube das nicht. Ich glaube, jedes Tier, erst recht natürlich jeder Mensch, ist ein Gedanke Gottes. Immerhin schreibt ja schon der Apostel Paulus, dass die gesamte Schöpfung in Geburtswehen liegt und auf die Befreiung von den dunklen Mächten des Todes hofft.
Gott will doch das Leben für alle. Er kümmert sich auch um die kleinen unscheinbaren Wesen, also auch um die Vögel, und nicht nur um die im wahrsten Sinn des Wortes großen Tiere. Dieser Gedanke fasziniert mich. Wenn Gott sich nämlich schon um die kleinen Vögel sorgt, um wieviel mehr dann um uns Menschen, auch um mich! Sogar die Haare auf unserem Kopf sollen ja gezählt sein, wie es im Neuen Testament heißt (vgl. Mt 10,30). Auch wenn nicht alles in meinem Leben glatt verläuft – ich bin davon überzeugt: Gott achtet auf mich. Und deshalb schenke ich einem solchen Gott mein Vertrauen.
Ihr Pfarrer Heinz-Josef Löckmann