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„Sonntagsfahrer“

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katholisch

Sonntagskirche | 12.07.2015 | 08:55 Uhr

„Sonntagsfahrer“

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer. Sind Sie nicht auch schon einmal hinter einem Auto hergefahren, das, sagen wir es so: auch schneller von der Stelle kommen könnte? Der Fahrer oder die Fahrerin nutzt aber nicht die zulässige Höchstgeschwindigkeit, sondern tuckelt ganz gemütlich durch die Landschaft, während Ihnen die Zeit wegläuft. Wahrscheinlich fährt der nicht oft Auto, sicher nur einmal in der Woche. „Sonntagsfahrer!“ Am besten noch mit Hut auf dem Kopf und mit Wackeldackel oder umhäkelter Toilettenpapierrolle auf der Ablage seines Stufenhecks...“Sonntagsfahrer“- eben: Das komplette Klischee! Ich habe mich schon oft über diese „Verkehrshindernisse“ aufgeregt – Sie vielleicht auch. Schließlich stehlen die einem die Zeit und verhindern oft auch noch, dass man rechtzeitig ans Ziel kommt . Ich gebe zu, dass ich gerne schnell unterwegs bin. Der Typ „Sonntagsfahrer“ regt mich eben auf. Und am Ende verursachen sie durch ihr Verhalten auch sicher noch Unfälle...

Letztens war es wieder soweit: Locker fließender Verkehr auf der Gegenspur – vor mir ein Sonntagsfahrer. Das kann ja lustig werden. Mein Gott – merkt der nicht, wie sich hinter ihm längst eine Schlange gebildet hat? Überholen nicht möglich. Da musst Du einfach dahinter bleiben. Der nächste Termin – egal, hat ja keinen Zweck, man kann diesen Sonntagsfahrer ja nicht von der Straße prügeln. Obwohl... Nein, so sicher nicht. Und wie ich so hinter ihm herfahre, kommt mir plötzlich ein Gedanke, der mir in letzter Zeit in anderen Situationen auch schon kam: Was macht das jetzt vielleicht für einen Sinn? Gibt es vielleicht eine Botschaft in dieser Situation und aus dieser Situation heraus?

Ich muss dahinter bleiben, kann nicht überholen. Vielleich gar nicht so schlecht, mal etwas Geschwindigkeit herauszunehmen. Der Sonntagsfahrer zwingt mich dazu, dahinter zu bleiben. An ihm dran zu bleiben. Auch wenn es mir jetzt nicht gerade passt. Vielleicht wären mir diese Gedanken gar nicht gekommen, wenn ich nicht auf diesen Sonntagsfahrer getroffen wäre?

Im gleichen Augenblick schießen mir alle möglichen Situationen durch den Kopf, in denen ich, auch im übertragenen Sinn, überholt habe, den Sonntagsfahrer rechts liegen ließ, um mit noch höherer Geschwindigkeit unterwegs zu sein. Das kostet Aufmerksamkeit, das kostet Kraft und Nerven. Keine Gelegenheit mehr, nachzudenken, bewusst den Weg zu machen. Einfach nur: „Augen zu und durch!“ So schnell wie möglich. Aber auch so gut, wie möglich?

Oft genug stand am Ende die Erfahrung, dass mir die Geschwindigkeit alleine überhaupt nicht geholfen hat. Dass am Ende Atemlosigkeit stand anstelle von überlegtem, ruhigem und besonnenen Handeln. Kann ich so meinen Weg gehen, indem ich nur auf der Überholspur unterwegs bin?

Ich stelle mir Gott vor. Bei ihm mache ich die Erfahrung, dass er, im Gegensatz zu mir, dahinter bleibt, dran bleibt. An mir. Mann, muss der sich nicht auch oft genug denken: „Sonntagsfahrer, der da vor mir?!“ Tut er aber nicht, sondern er bleibt dahinter. Oftmals, ohne, dass ich es merke. Und er bleibt dran an mir.

Ich wünsche mir, das manchmal auch zu können. Ich nehm’s mir immer mal wieder vor, manchmal gelingt es, manchmal eben aber auch nicht. Ein Tag wie heute, ein Sonntag, lädt geradezu dazu ein, auch einmal als „Sonntagsfahrer“ unterwegs zu sein. Nicht aus Unvermögen, sondern aus purer Lust am Leben. Warum eigentlich nicht auf diese Weise auch einmal das Leben bewusst genießen?

Vielleicht probieren Sie es heute auch einmal aus, wenn Sie auf einen „Sonntagsfahrer“ treffen. Dahinter bleiben, dran bleiben, und ganz entschleunigt, gut und sicher ans Ziel kommen. Alles andere ist sowieso ungesund. Und führt manchmal geradewegs am ei-gentlichen Ziel vorbei.

Davon überzeugt ist Pfarrer Ulrich Clancett aus Jüchen.

Copyright Vorschaubild:Jörg Schubert CCBY 2.0 flickr

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