Fluch und Segen

Guten Morgen!

Haben Sie schon mal von Bileam gehört? Die Bibel nennt ihn einen Propheten. Eher kommt er einem wie ein unheimlicher Magier vor mit seiner Gabe, Menschen segnen und verfluchen zu können. Allein seine Worte bewirken Glück und Unglück.

Segen – was das ist, das können sich die meisten vorstellen. Den Segen Gottes empfangen Christen zum Beispiel im Gottesdienst und nehmen ihn gerne mit in den Alltag. „Viel Glück und viel Segen auf all deinen Wegen...“ so singen wir einander unsere Wünsche zum Geburtstag zu. Segen ist uns wichtig und wir empfinden zu Recht, dass er uns gut tut.

Fluch allerdings – was das genau ist, ist schon schwerer zu beschreiben. Bileam, jener seltsame Prophet ließ sich von Balak, dem König der Moabiter, anwerben. Er sollte dem König gegen das Volk Israel beistehen. Die Israeliten waren auf dem Weg in ihre neue Heimat wie Heuschrecken in das Land der Moabiter eingedrungen. König Balak fürchtete nun einen Krieg mit ungewissem Ausgang und engagierte Bileam: Der sollte die Eindringlinge verfluchen. Und kraft seiner Worte, würden die Israeliten geschwächt werden und leicht zu besiegen sein.

Für mich ist das eine sehr archaische Vorstellung. Sie ist mir fremd. Viele von Ihnen würden mir sicher zustimmen. Was wir allerdings kennen: Gute, freundliche Worte machen Freude, trösten und schenken Hoffnung. Böse, verächtliche Worte machen Angst. Wirken wie ein Fluch. Üble Nachrede kann Menschen sogar zerstören. Wer lange genug mit seinen Worten Hass sät, hat am Ende Erfolg - erntet aber auch die schlimmsten Früchte.

Wir erleben in diesen Wochen, wie sich bei vielen ein Hass auf die Flüchtlinge entlädt – vor allem auch in den so genannten sozialen Medien: Auf Facebook oder in Internetforen oder über WhatsApp äußern viele - oft anonym - ihre fremdenfeindliche Gesinnung. Reihenweise Flüche, die gegen Hilfesuchende und Helfer gleichermaßen ausgestoßen werden. Mittlerweile wird aber auch ganz ungeniert in der Öffentlichkeit gehetzt. Und die bösen Taten folgen der Hetze schon längst: brennende Unterkünfte, Angriffe auf Politiker, fast täglich mehren sich die Untaten.

So fremd ist uns heute die Sache mit dem Fluch wohl doch nicht. Und wer kann sagen, dass ihm nie ein böses Wort über die Lippen kommt. In der Bibel finde ich da eine sehr nüchterne und realistische Betrachtung:

Sprecherin: (weiblich)

Die Zunge ist nur klein und bringt doch gewaltige Dinge fertig. Denkt daran, wie klein die Flamme sein kann, die einen großen Wald in Brand setzt! Auch die Zunge ist ein Feuer. ... Die Zunge hat noch niemand bändigen können, diesen ruhelosen Störenfried, voll von tödlichem Gift. Mit der Zunge loben wir Gott, unseren Herrn und Vater – und mit ihr verfluchen wir unsere Mitmenschen, die nach Gottes Bild geschaffen sind. Aus demselben Mund kommen Segen und Fluch. Meine Brüder und Schwestern, das darf nicht sein! (Jakobus 3, in Auswahl)

Wir haben in unserem Land auf schlimmste Weise erfahren, welche Macht hasserfüllte Worte haben. Erst wurden die Glut der Verachtung und das Feuers des Hasses in die Menschen gelegt. Und dann brannten die Öfen in den Vernichtungslagern. Wir müssen wachsam sein. Wir dürfen die Hetzparolen nicht stillschweigend hinnehmen. Wir haben etwas dagegen zu setzen. Denn die Macht der bösen Worte wird besiegt durch die guten Worte des Segens. Bileam, der Prophet, konnte keinen Fluch ausrufen, wie sein Auftraggeber es verlangt hatte. Er konnte das Volk Israel nur segnen. Und die Folge war: Krieg und Vernichtung fanden nicht statt. Vielleicht gelingt es durch gute, freundliche Worte Facebook oder WhatsApp zu solchen Netzwerken zu machen, die nicht nur sozial genannt werden, sondern es auch sind.

Das wünscht sich und Ihnen Pfarrer Rüdiger Schnurr aus Hilchenbach.

Bild: Gustav Jaeger: (1808 Leipzig - 1871 Leipzig): Bileam und der Engel (4. Mose = Numeri 22-24), 1836