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Kirche in WDR 4 | 19.11.2015 | 08:55 Uhr
Den Unterschied machen
Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer.
Sie sind Christ oder Christin? – Und wenn ja: Macht das einen Unterschied aus? Ja, könnten Sie sagen: auf meiner Steuererklärung. Aber jetzt mal im Ernst: Wäre es nicht was, wenn man den Christinnen und Christen anmerken könnte, dass sie Christen sind?
Gerade in diesen Tagen ist die Frage aktuell. Wie sollen Christen antworten auf so fürchterliche Attentate, wie in der Nacht zum Samstag in Paris geschehen sind? Eine Antwort habe ich ausgerechnet bei Kanzlerin Angela Merkel gefunden. Am Morgen nach den Terroranschlägen sagte sie: „Wir leben von der Mitmenschlichkeit, von der Nächstenliebe, von der Freude an der Gemeinschaft.“ An einem Morgen, an dem andere sich mit Kriegsrhetorik überboten, haben mich diese Worte bewegt. Sie fassen vielleicht genau zusammen, was auch für Christen im Leben den Unterschied machen sollte.
Ich sage das auch, weil heute das Fest der Heiligen Elisabeth von Thüringen ist. Und ihr Leben könnte eine Antwort auf die Frage nach dem Unterschied sein.
Elisabeth, die thüringische Landgräfin, hat sich schon in jungen Jahren in den Dienst an den Ärmsten gestellt. Vor 700 Jahren galt gerade das Leben der Armen nichts – besonders in den Augen des Adels, der sich sonst ach so christlich gab. Elisabeth hatte mit der Gründung eines Hospitals in Marburg ein Zeichen gesetzt. Sie hat Menschlichkeit gezeigt in zum Teil unmenschlichen Verhältnissen. Doch damit nicht genug: In ihrem Spital übernahm sie Arbeiten, die niemand sonst tun wollte. Ohne nach Lob und Anerkennung zu fragen oder darauf zu hoffen, dass sie irgend etwas Besonderes dafür bekam. Das hat Elisabeth als ihre Berufung für ihr ganzes Leben erkannt. In ihrer alten Umgebung, der Wartburg, erntete sie nur Ablehnung und Unverständnis. Aber das Elisabeth nicht davon abgehalten, Mitmenschlichkeit konkret zu leben. Die Bibel prägt für dieses Verhalten einen Begriff, der durch Papst Franziskus aus seinem Dornröschenschlaf wieder erweckt wurde.
Jesus wird zitiert: „Seid barmherzig, wie es auch euer Vater im Himmel ist.“ Ab Dezember hat Franziskus sogar ein „Heiliges Jahr der Barmherzigkeit“ ausgerufen.
Und nach den Attentaten in Paris kam am Samstag sogar die Frage auf, ob die katholische Kirche nicht unter dem Eindruck des Terrors davon absehen solle. Aber Franziskus bleibt dabei: Barmherzigkeit sei jetzt mehr gefordert denn je. Und er lebt sie ganz konkret: Räume für Obdachlose im Vatikan, viel mehr Mittel für Arme, die täglich dort an die Türe klopfen. Und besonders in der Flüchtlingsfrage fordert er Barmherzigkeit nicht nur immer wieder ein, sondern setzt konkrete Zeichen: das fing an mit seinem Besuch auf der Flüchtlingsinsel Lampedusa vor zwei Jahren.
Also noch einmal: Was macht ihr Christsein wirklich aus, was macht es zu etwas Besonderem? – Als Christin oder Christ zu leben heißt, nach dem Vorbild der heiligen Elisabeth sich für nichts zu schade zu sein, was hilft, die Welt menschlicher zu machen. Das kann ganz einfach sein, aber es muss wirksam sein.
Claus-Peter März hat 1981 in der damaligen DDR für das „Elisabeth-Fest“ auf der Wartburg ein Lied getextet, das heute zu den beliebtesten geistlichen Liedern gehört: „Wenn das Brot, das wir teilen, als Rose blüht, und das Wort, das wir sprechen, als Lied erklingt, dann hat Gott unter uns schon sein Haus gebaut...“
Brot „blüht“ nur, wo es geteilt wird, ein gutes Wort ist wie ein Lied – und dann wohnt Gott in unserer Mitte. Ich wünsche ihnen am heutigen Elisabethfest „blühende Brote“ und „klingende Worte“. Auch in Situationen, die ungewöhnlich erscheinen – aber gerade da wird es erfahrbar, was es heißt, als Christ einen Unterschied zu machen.
Ihr Pfarrer Ulrich Clancett aus Jüchen.