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Das leere Grab

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Kirche in WDR 4 | 05.04.2016 | 08:55 Uhr

Das leere Grab

Jerusalem, sollte ich dich jemals vergessen...

3 ½ tausend Kilometer Anreise, dann mit dem Taxi in das Pilgerhaus, quer durch das Gewühl der Altstadt, rein in die Grabeskirche, eine gute halbe Stunde anstehen, gebückt durch die Engelskapelle in das Grab, Ruhe - und dann das: der orthodoxe Pope, klopft mit seinem Ring auf die blecherne Eingangstür der Grabkapelle. "Come out, come out..." Das klingt energisch und reißt aus jedem Gebet. Na super, und das soll es jetzt gewesen sein an der heiligsten Stätte der Christenheit?

Irgendetwas zwischen Enttäuschung, Traurigkeit und auch ein bisschen Wut treibt mir den Blutdruck in die Höhe und mich aus dem Grab. War das jetzt hier eine Minute, war es mehr, war es weniger? Auf jeden Fall zu kurz, das steht fest. Unverschämtheit, wo es doch gerade so wohltuend still geworden war...

Wieder in das Gewühl der Grabeskirche zurückgekehrt blicke ich in die hoffnungsvoll anstehenden Menschen in der Schlange. Der Pope stoppt imaginär aber unerbittlich die Zeit. Erneut hektisches Klopfen: "Come out, come out!" Gut so, denke ich mir, warum soll es denen anders ergehen... Und plötzlich fällt mir ein, was uns unser Reiseführer schon vor vierzehn Jahren an dieser Stelle gesagt hat: "Eigentlich ist unsere Bezeichnung dieser Kirche falsch. Wir nennen sie Grabeskirche - die orthodoxen Christen, und auch ihr Erbauer Kaiser Konstantin im 4. Jahrhundert Anastasis - Auferstehung. Darauf kommt es ja auch eigentlich an, auf die Auferstehung Jesu, an die wir hier denken sollten..." Der Pope am Grab hatte vielleicht Recht: "Come out, come out... Raus da, da gibt's nichts zu sehen." Haltet euch doch nicht unnötig in einem leeren Grab auf, raus, wieder ans Ta-geslicht, das ist die Botschaft von Ostern.

Plötzlich wird mir der Mann in dem langen schwarzen Gewand sogar richtig sympathisch. Ja, der gibt die Botschaft von Ostern verständlich weiter. Nicht besonders fromm, aber laut und deutlich. Nicht in einer langen, theologisch durchdachten und komponierten Predigt, nicht in einem feierlichen Gottesdienst mit großem Halleluja, sondern einfach nur in den zwei Worten, die er wahrscheinlich hunderte Male in das leere Grab hineinruft: "Come out! - Komm' raus da!"

Und damit klopft er die Leute wach, die sich schon gefangen nehmen lassen von der mystischen Atmosphäre des winzigen, nur von Öllampen spärlich beleuchteten Raumes.Es ist gefährlich, wenn man sich einlullen lässt, es sich gemütlich macht an diesem Ort des Todes - da streckt der Tod schon die Fühler nach dir aus. Es ist unangenehm, da herausgeholt zu werden. Aber es lohnt sich. "Come out! - vielleicht eine ganz neue Übersetzung von "Halleluja - der Herr ist auferstanden!" Vielleicht viel richtiger, als es uns die Theologen nach ihrem jahrhundertelangen Suchen und Ringen um das Ge-heimnis der Auferstehung erklären wollen. Vielleicht ist es so einfach: "Raus aus dem Tod - ER lebt!"

Einen lebendigen Tag wünscht Pfarrer Ulrich Clancett aus Jüchen.

Copyright Vorschaubild: Grabeskirche Steffen Voß CCBY 2.0 flickr

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