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Sonntagskirche | 28.08.2016 | 08:55 Uhr
Neustart
Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer. Die Ferienzeit in den Schulen ist zu Ende, die Urlaubszeit klingt langsam aus: Zeit, die nächsten Wochen und Monate in den Blick zu nehmen. Ich fand diese ersten Tage nach der Sommerpause schon zu Schulzeiten interessant: Neuer Klassenraum, neue Mitschüler, neue Lehrer, neue Bücher, neue Inhalte. Irgendwie war nichts mehr so, wie sonst. Nur den allgemeinen Rahmen gab es noch: Die Schule, den Chef, ein paar alte Kumpels. So aufgeregt ich immer wieder in neue Schuljahre und später an der Universität in neue Semester gestartet bin, so traurig war ich doch auch manchmal über das, was nicht mehr war.
Vielleicht ist es Ihnen in den letzten Tagen auch so ähnlich ergangen: So ein Neustart in die Arbeit nach einem längeren Urlaub ist spannend, aber auch manchmal nicht einfach. Ich habe das Gefühl, nach der Sommerpause irgendwie als ganz anderer Mensch wieder in den Dienst zu gehen als der, der sich vor ein paar Wochen in den Urlaub verabschiedet hat. Viel Vertrautes ist noch da – vieles aber ist auch neu. Das muss erst einmal verarbeitet werden, ist gewöhnungsbedürftig. Wie gut, dass es heute, mit dem Sonntag, schon wieder eine erste Verschnaufpause gibt – Zeit, die neuen Eindrücke der Nach-Ferien- und Urlaubszeit zu sortieren, noch einmal auf sich wirken zu lassen.
Dabei ist es schon auch wichtig, hin und wieder das System neu zu starten – das kenne ich nicht nur vom Computer so. Auch mir tut so ein Neustart mit allen seinen Veränderungen, und seien sie auch noch so klein, gut. Hier und da eine kleine, neue Herausforderung – das erhält am Leben, da bekommt man wieder Lust auf Neues. Wie lähmend wäre es, immer wieder in den alten Trott zurückzufallen und alles so zu belassen, wie es ist.
Und dennoch: Gerade wenn es schön ist, entweicht nicht nur dem Rheinländer ein frommer Wunsch „Et soll alles blieve wie et jrad es“ (oder wie auch immer im Dialekt). Manche Menschen wünschen sich das ja wirklich. Das ist dann kein frommer Wunsch oder nostalgisch, das hat dann oft mit Ängsten zu tun. Wenn rundherum alles schneller wird, ständige Veränderungen stattfinden dann wächst die Furcht, alles zu verlieren, was einem wichtig ist und was vor allem Halt gibt. Da sucht man etwas Festzementiertes. Und viele sehen die Kirche als so einen Hort der Bewahrung – da darf sich dann gar nichts ändern, weil sonst gänzlich der Boden unter den Füßen wegzukippen droht.
Dabei gründet sich die Kirche auf Jesus. Und der macht seinen Freunden immer wieder Mut, teils mit drastischen Worten, sich auf einen Neustart einzulassen. Keiner, so sagt er einmal, tauge für das Reich Gottes, der die Hand an den Pflug legt und nochmals zurückblickt. Oha – was verlangt der denn da von uns? Sollen wir alles vergessen und über den Haufen werfen, was uns jetzt noch wichtig ist?
Wie immer, wenn Jesus so etwas sagt, spitzt er zu, damit seine Absicht deutlicher wird. Für ihn ist es einfach wichtig, den Blick immer wieder neu nach vorne zu richten. Dabei kennt es sicher auch schon das alte Lied derer, die ihm immer wieder vorhalten: Früher, ja früher war doch eigentlich alles viel besser... “Och, wat woar dat früher schön…“. Ein Satz, der mich immer wieder nervös macht – weil er einfach nicht stimmt. So verklärt sich im Rückblick verklärt vieles zu Positivem, was bei genauerem Hinsehen gar nicht so toll war. Und genau das ist es, auf das Jesus hinweisen möchte: Pack an, sieh nach vorne – da liegen die Herausforderungen. Nutze die Energie und verschwende sie nicht auf wehmütige Rückblicke in die vermeintlich gute, alte Zeit. Und das war zu Jesu Zeiten vor 2000 Jahren nicht anders als heute.
Die Kirche erinnert heute an einen ihrer bedeutendsten Gelehrten, den heiligen Augustinus. Der hatte für diese Frage einen Satz zur Hand, der das alles zusammenfasst: „Unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir.“ Will sagen: Wir sind ständigen Veränderungen und immer wieder auch Neustarts unterworfen. Aber wir dürfen die Hoffnung haben, dass es mit Gott einen Ankerpunkt gibt, an dem wir uns trotz aller Unsicherheiten festmachen können. Auch eine ganz gute Perspektive für diesen August-Sonntag und den Neustart in den Rest des Jahres.
Genießen Sie in diesem Sinne den Tag – ob beim Neusser Schützenfest, beim NRW-Tag in Düsseldorf oder sonstwo – und starten sie morgen gut wieder neu.
Ihr Ulrich Clancett aus Jüchen.