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Kirche in WDR 4 | 19.07.2016 | 08:55 Uhr

Goldene Stunde

Klar. Wir wuppen das. Wir sind erfolgreich. Zielstrebig. Tüchtig. Ob im Haushalt oder in der Arbeitswelt. Wir besuchen Zeitmanagementseminare. Optimieren Arbeitsabläufe. Ob in der Putenmast oder in den Lernfabriken, in der Industrie, im Handel oder in der Pflege – wir beschleunigen alle Prozesse. Und opfern dabei die Qualität auf dem Altar des Profits.

Deutschland gehört neben Japan, Irland und der Schweiz zu den gehetztesten Nationen der Welt, meinte der Psychologe Robert Levine schon vor fast 20 Jahren. (1) Der Umgang mit der Zeit – oder besser: der Kampf gegen die Zeit – er treibt viele um. Immer häufiger diagnostizieren die Ärzte Burnout. Psychische Erkrankungen nehmen zu. Schon in der Schule geht’s los: Mehr Lernstoff muss in kürzere Zeit bis zum Abi reingepackt werden. Und da ist es nicht erstaunlich, dass ein Kind, das sich viel bewegen muss und sich nicht unter Kontrolle hat, gleich als krank gilt. Gegen die Krankheit gibt es dann Medikamente und schon sind Zappelphilipp und Störenfrieda in den Lernbetrieb wieder eingepasst. Bei den Erwachsenen werden Überstunden im Beruf schlicht vorausgesetzt. Die RundumdieUhr-Erreichbarkeit oft auch. Politiker fühlen sich unter Druck, getrieben von Meinungsumfragen. Weshalb der Journalist und Autor Laszlo Trankovits in seinem Buch „Weniger Demokratie wagen“ zu mehr Ruhe und Entschleunigung im Politikbetrieb rät. (2) Denn komplexe Zusammenhänge können wir so kaum mehr erfassen.

Selbst beim Beten wollen wir Zeit sparen mit Kurzandachten und Abstechern in die Autobahnkirchen. Als evangelische Pfarrerin bin ich selbst mitten drin in der Beschleunigungsfalle und kaufe die Zeit aus, um das Wort Gottes unter die Leute zu bringen. Zum Glück zwingt mich aber eben dieses Gotteswort zum Umdenken. „Doch Wachstum und Gedeihen steht in des Himmels Hand“ – heißt es in einem alten Kirchenlied. Und damit ich das nicht vergesse, nehme ich mir Zeit für eine „Goldene Stunde“. Eine Stunde am Tag ganz ohne Smartphone und Emails. Tür zu oder am besten gleich ganz raus an die frische Luft – beim Gehen bekomme ich ein Gefühl dafür: Es ist Zeit da. Zeit, die nicht gefüllt werden muss. Hier und jetzt. Meine „Goldene Stunde“ beginne ich gern mit einem Gebet aus der Bibel: „Komm wieder zur Ruhe, meine Seele, denn der Herr hat dir Gutes erwiesen.“ (Psalm 116,7 Neue Genfer Übersetzung) Also los: Mit allen Sinnen wahrnehmen, was an Gutem da ist. Einatmen und ausatmen. Ich lebe! Das kostbarste Geschenk.

So eine „Goldene Stunde“ ist überall möglich. Mit Kindern habe ich mal folgendes ausprobiert:

An einem Vormittag führe ich Schülerinnen und Schüler einer 5. Klasse durch die Stadtkirche. Eine Ralley durch den Kirchenraum. Inbegriffen eine Phase der Stille. Ob das wohl klappt? frage ich mich. Mucksmäuschenstill sitzen die Kinder in den Bänken. Von draußen hören wir das Klingeln der Straßenbahn und die Autos an der Kreuzung. Ein paar Fußgänger laufen an der Kirche vorbei und unterhalten sich lautstark. All die Geräusche dringen nur gedämpft durch die dicken Kirchenmauern und Glasfenster. Die Sonnenstrahlen, die durch die bunten Fenster fallen, malen bunte Flecken auf den Fußboden im Altarraum. Lange sitzen wir so. Am Ende unserer Kirchenführung fragen die Kinder: „Kann man hier eigentlich immer rein, wenn man will? Hier kommt man so schön zur Ruhe.“

Dass Ihr Herz zur Ruhe kommt, wünscht Ihnen Pfarrerin Petra Schulze aus Düsseldorf.

(1)Spiegel Nr. 36/01.09.2014 Gegen die Uhr – Die hektische Suche nach einem entschleunigten Leben: Der Uhr-Mensch von Jörg Schindler S. 115. Zitiert nach: 'Eine Landkarte der Zeit' von Robert Levine, erschienen im Piper-Verlag 1998.

(2)Laszlo Trankovits: Weniger Demokratie wagen, Wie Wirtschaft und Politik wieder handlungsfähig werden, Frankfurter Allgemeine Buch, 1. Aufl. 2011.

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