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Kirche in WDR 4 | 18.08.2016 | 08:55 Uhr
Regenbogen in der Tiefe
Atemberaubend. Die Wasserfälle von Iguazú in Paraguay. Im Frühjahr war ich dort.
Gigantisch, aus welchen Höhen dort die Wassermassen in die Tiefe stürzen. Geradezu unheimlich die Geräuschkulisse. Die Luft von Feuchtigkeit geschwängert; dichte Nebelschleier liegen über Schluchten und Abgründen.
Und dann – plötzlich – ein Bild, das ich so schnell nicht vergessen werde. Genau genommen waren es unzählige, immer neue Bilder. Jedes für sich einzigartig.
Wo die Gischt der hinabstürzenden Wassermengen sich mit der flirrenden Hitze der Luft vermengte und vom Glanz der Sonne getroffen wurde, entstanden wunderschöne Farbspiele. Einige ganz zart. Andere erstaunlich kräftig. Regenbögen von einer seltenen Klarheit und Intensität.
Nicht einer. Sondern viele.
Nicht oben am Himmel. Sondern unten in der Tiefe. Ja, ganz weit hinunter in die Tiefe mussten wir blicken, um diese wunderbaren Regenbögen zu sehen.
Ich weiß noch, wie fasziniert ich als Kind war, wenn ich einen Regenbogen am Himmel entdeckte. Etwas von diesem Staunen ist bis heute geblieben – auch wenn ich mir das Phänomen der Natur längst physikalisch erklären kann.
Meinen Bogen habe ich in die Wolken gesetzt, der soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und der Erde, lese ich in der Bibel. (1. Mose 9,13)
Der Regenbogen als Zeichen, dass Gott seinen Menschen und seiner Schöpfung treu bleibt. Verbunden mit dem Versprechen: Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht. (1. Mose 8,22)
Und nun dieses unvergessliche Bild dort an den Wasserfällen von Iguazú: Der Regenbogen nicht in den Wolken. Gottes Bundeszeichen nicht in unerreichbarer Ferne über uns, am Firmament. Sondern tief unten.
Die Farben der Treue Gottes ausgerechnet da, wo beängstigende und zerstörerische Kräfte wirken. Gottes Versprechen „Ich lasse meine Erde nicht im Stich!“ gerade da, wo niemand es vermutet hätte.
Die Zeitungen dieser Tage schreiben: „2016 ist das Jahr der Ängste“. Eine Umfrage ergab, dass „Die Ängste der Deutschen“ innerhalb eines Jahres so stark gestiegen sind wie nie zuvor. (Studie der R+V-Versicherungen 2016) Beinahe täglich erhalten diese Ängste neue Nahrung. Es ist, als spiele die ganze Welt verrückt.
Meinen Bogen habe ich in die Wolken gesetzt, der soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und der Erde.
Der Regenbogen ist ein Zeichen gegen die Angst.
Gottes Treue lässt sich durch menschliche Zerstörungskraft nicht aufheben.
Und seit ich die farbenprächtigen Bögen unten, in der Tiefe, leuchten sah, bin ich gewiss: Er wird uns nicht im Stich lassen.
Wir haben Angst, ja.
Aber die Ängste dürfen nicht uns haben.
Sie dürfen nicht das Regiment führen. Uns nicht zu Hass und Misstrauen und Abschottung treiben.
Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht:
Dieses Versprechen Gottes verpflichtet mich dazu, seine Menschen und seine Erde nicht aufzugeben.
Hoffnung zu wecken, wo Verzweiflung wohnt.
Hände zu öffnen, wo man Fäuste ballt.
Ein Licht anzuzünden, wo Finsternis regiert.
Der Regenbogen in der Tiefe wird mich immer daran erinnern.
Einen guten Tag wünscht Annette Kurschus, Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen.