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Sonntagskirche | 20.08.2017 | 08:55 Uhr

Die Wiege

Martin Luther kann nicht schlafen. Unruhig wälzt er sich von einer Seite auf die andere. Das ist nichts Neues für ihn. Seit seinen Klostertagen kennt er diese unruhigen Nächte. Damals waren sie ihm sogar fast willkommen erschienen. So versuchte er, aus den schlaflosen Stunden möglichst viel an Gottesnähe und Glaubensstärke herauszuholen. Wenn es bloß heute Nacht wieder so einfach wäre: Er schlägt die Bibel auf, die er selbst ins Deutsche übersetzt hat. „Bewahre mich Gott, denn ich traue auf Dich“ (Psalm 16,1) liest er. So leicht aber gelingt ihm heute dieses Vertrauen nicht. Seine nächtliche Unruhe hat einen traurigen Grund: Sein Söhnchen Hans ist schwer erkrankt. Der Arzt war schon da. Es steht nicht gut um das Kind.

Luther verlässt die zerwühlten Laken, steht auf und streift sich sein Lederwams über. Zwei Stufen muss er hochsteigen, dann steht er vor dem Zimmer seines Jungen. Die Tür ist nur angelehnt. Der Dreiviertelmond wirft Licht in die enge Kinderstube. Aber da nimmt der Doktor der Theologie, Martin Luther, etwas wahr, das er bis zu dieser Nacht fast immer übersehen hat: Die Wiege des kleinen Kindes. Er selber hatte schon, so wurde ihm erzählt, in diesem Bastkorb seine ersten Lebensmonate in Mansfeld verbracht. Die Wiege hatte ihn immer zur Ruhe geschaukelt. Auch er war ja oft krank gewesen. Aber es war immer alles gut ausgegangen. Warum also heute Nacht nicht auch mit Hänschen?

Aber so friedlich geht es nicht immer zu, denkt Luther an der Zimmertür lauschend. Bei den Nachbarn, im Hause Sturm und Jonas, war es anders. Ganz Wittenberg hatte über Monate unter der schwarzen Seuche, der Pest, gelitten. Warum also sollten er und seine Familie verschont bleiben? Oder andersherum gefragt: Gab es nicht bei allem, was noch kommen mag, dennoch ein Heilmittel, das den Weg durch die Nacht erleichtern würde – nämlich wieder so ein tröstendes, trostreiches Wort?

Leise lehnt Luther die Kinderzimmertür an und geht hinunter in die Schreib- und Studierstube. Er will sich den düsteren Gedanken stellen - mit Feder, Tinte und Papier. Und dann denkt er nach und fängt an und schreibt: „Wir sollen uns üben, uns im Glauben daran zu gewöhnen, den Tod als einen tiefen, starken, süßen Schlaf anzusehen, den Sarg für nichts anderes als unseres Herrn Christi Schoß oder Paradies. Wir wollen uns üben, das Grab für nichts anderes als ein sanftes Ruhebett zu halten.“ (1) Luther wird ruhig, atmet aus, atmet ein.

Dann steigt er noch einmal die Treppen hoch, schaut in die Kinderstube und empfindet dabei noch an ein anderes Trostbild in schwierigen Zeiten, auch für Hans: “Gleichwie ein Kind aus der kleinen Wohnung seiner Mutter Leib mit Gefahr und Ängsten geboren wird hinein in diesen weiten Himmel und Erden, so geht der Mensch auch durch die enge Pforte des Todes aus diesem Leben. Und obwohl der Himmel und die Welt, wo wir jetzt leben, als groß und weit angesehen wird, so ist das doch alles im Vergleich zum zukünftigen Himmel viel enger und kleiner.“ (2) Die Wiege Gottes schaukelt immer ins Leben hinein, denkt Luther. Hier und dort. So oder so. Luther kann sich wieder hinlegen. Denn ein Geisthauch wiegt jetzt auch ihn in den Schlaf.

(1)und (2) Martin Luther, "Eynn Sermon von der bereitung zum sterben".

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