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Kirche in WDR 4 | 29.08.2017 | 08:55 Uhr
Segensroboter
Guten Morgen!
Ein Freund erzählt: „Meine Mutter hat uns Kindern früher immer, bevor wir aus dem Haus gingen, ein Kreuzzeichen auf die Stirn gemalt und uns für den Schulweg und den Tag gesegnet. Das werde ich nie vergessen. Das hat mir Kraft gegeben.“ Segen oder lateinisch benedictio, kommt von benedicere und bedeutet „von jemandem gut sprechen, jemanden loben“ oder eben auch segnen, den Segen über ihm oder ihr aussprechen. (1) Auf der Weltausstellung Reformation in der Lutherstadt Wittenberg (2) kann man sich noch bis zum 10. September auf ungewöhnliche Weise segnen lassen. Dort steht der "weltweit erste Segensroboter". Den hat die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau eigentlich als Kommunikationsexperiment für die Weltausstellung von dem Medienkünstler Alexander Wiedekind-Klein entwerfen lassen. Damit wollte die Landeskirche „eine Diskussion über die Digitalisierung, die ethischen Grenzen künstlicher Intelligenz und die Bedeutung des Segens anstoßen“. (3) Der Roboter heißt "BlessU-2" und hat eine weibliche und eine männliche Stimme. Aber von vorn: „BlessU-2" sieht ähnlich aus wie ein Bankautomat mit Touchscreen. Er hat allerdings einen Kopf und zwei Arme und Hände. Ich beobachte ein Mädchen, das ihn ausprobiert. Das Mädchen tritt auf eine kleine Plattform, die man betreten muss um den Touchscreen zu bedienen. Der Roboter begrüßt das Mädchen: „Guten Tag, kann ich Sie segnen?“ Es ist ein höflicher Geselle – Duzen kann er offenbar nicht, auch nicht erkennen ob ein Kind oder ein Erwachsener vor ihm steht. Das Mädchen will gesegnet werden und kann auf dem Screen auswählen, in welcher Sprache, ob von einer männlichen oder weiblichen Stimme und wie der Segen sein soll: traditionell zum Beispiel? Der Roboter spricht derzeit noch mal mit einer männlichen, mal mit einer weiblichen Stimme. Jetzt hat das Mädchen ausgesucht: Es will den Segen auf Deutsch, von einer weiblichen Stimme und traditionell. Der Roboter hebt seine Metallarme, streckt seine langen Finger aus und begleitet von Kirchenglockengeläut segnet er das Mädchen. Es bleibt ganz ruhig stehen, den Blick auf das Gesicht des Roboters geheftet. Im Anschluss kann sich das Kind aussuchen, ob es den Segen ausgedruckt haben möchte. „Ja, gerne“. Fröhlich springt das Mädchen mit dem ausgedruckten Segensspruch von der Plattform. Da sagt der Roboter freundlich: „Danke für den Besuch. Auf Wiedersehen!“
Das Mädchen ist überrascht, dass es noch ein Abschiedswort bekommt und springt zurück auf die Plattform. Wendet sich dem Roboter-Gesicht zu und winkt fröhlich: „Tschüß!“
Nein, die deutschen Protestanten wollen 500 Jahre nach Luther definitiv nicht die Pastoren durch Roboter ersetzen.
Wie gesagt: Es sollte ein Experiment sein, das zur Diskussion anregt. Auch wenn der Roboter nicht schön ist, auf das Mädchen hat er die gleiche Wirkung wie eine Handpuppe, wie sie oft in Schul- oder Familiengottesdiensten eingesetzt werden. Für sie lebt der Roboter. Und sie geht froh und gesegnet davon. „Hier halt mal gut fest“, sagt sie zu ihrer Mutter und drückt ihr den Spruch in die Hand, um sich die Schnürsenkel zuzubinden.
Ach ja: "BlessU-2" ist nicht der erste Roboter der Welt im Dienst der Religion: In einem buddhistischen Tempel am Stadtrand von Peking soll es schon einen Roboter-Mönch geben, der Mantras singt und die Grundlagen des Buddhismus aufsagen kann. (3)
Was halten Sie davon?
(1)https://de.wikipedia.org/wiki/Segen
(2)https://r2017.org/weltausstellung/ - Weltausstellung Reformation in der Lutherstadt Wittenberg- noch bis zum 10. September 2017.
(3)https://www.domradio.de/themen/%C3%B6kumene/2017-06-09/landeskirche-wegen-segensroboter-den-schlagzeilen:
09.06.2017: Landeskirche wegen Segensroboter in den Schlagzeilen Roboter statt Pastor? Von Karsten Packeiser (epd)