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Kirche in WDR 4 | 25.12.2017 | 08:55 Uhr
Sich vom Kind in der Krippe anschauen lassen …
Zu Weihnachten rollen bei vielen Menschen die Tränen. Das Fest berührt einfach. Ganz besonders in der Weihnachtsnacht: Spätestens, wenn beim Kerzenschein die „Stille Nacht“ erklingt, zücken viele ihre Taschentücher.
Mir selbst geht das nicht viel anders. Mich packt jedes Jahr ein Moment im Weihnachtsgottesdienst, bei dem ich als Priester „privilegiert“ bin: Unmittelbar nach dem Vorlesen des Weihnachtsevangeliums ziehe ich zur Krippe. Ich schwenke Weihrauch und bleibe dann für einen Moment vor dem Kind in der Krippe stehen. Im Hintergrund ein Weihnachtslied – dann muss ich schlucken. Es ist die Musik, aber vor allem das Bild des kleinen, neugeborenen Kindes, das mich rührt, sogar eine Träne kann sich da bemerkbar machen. Dabei bin ich gar nicht sentimental – meine ich jedenfalls. Aber ich glaube, in diesem Moment erahne ich etwas von dem, was Weihnachten bedeutet: In einem Kind, in einem kleinen, hilflosen Menschen zeigt sich Gott.
Jedes neugeborene Kind löst eine Faszination aus: Es ist ein Wunder, wenn Leben entsteht, selbst in noch so ausweglosen Zeiten. Das christliche Weihnachten sagt: Gott ist in einem konkreten Menschen zur Welt gekommen ist. Um damit seine Nähe zu uns allen zum Ausdruck zu bringen. Der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer hat deshalb geschrieben: „Gott wurde (nicht) eine Idee, ein Programm, eine Allgemeingültigkeit, ein Gesetz – sondern Gott wurde ein Mensch!“ Und zwar ein „wirklicher“ Mensch. Das zeige, wie sehr Gott jeden einzelnen Menschen liebt – und zwar so, wie er „wirklich“ ist.
Genau das spüre ich, wenn ich vor der Krippe stehe. Ich sage mir: Jetzt blickt das Kind dich an! Es drückt mir gegenüber aus: Du bist geliebt, wie du bist. Ganz egal, was andere denken und wie sie zu dir stehen.
Gott ist keine Theorie, kein Programm, kein Moralgesetz. Was für eine Absage an jede Art von Religion, die unmenschlich daher kommt. Gott meint es gut mit jedem Menschen. Deshalb ist Weihnachten das große Fest der Menschlichkeit und der Liebe.
Religionen haben bei vielen Leuten einen schlechten Ruf: Islamistischer Terror, aber auch dunkle Kapitel in der Geschichte des Christentums zeigen, wie Gott immer wieder instrumentalisiert wird für düstere Ideologien. Es ist nicht lange her, da war auch bei uns die christliche Erziehung von Angst und Druck beherrscht.
Weihnachten sagt mir: Gott macht keine Angst! Gott ist menschenfreundlich, zugewandt, liebevoll. Das bewirkt mehr Gutes als jede Drohbotschaft. Bonhoeffer sagt: Gott will, dass wir genauso werden – menschenfreundlich, zugewandt und liebevoll. So könnte Weihnachten die Welt verändern.
Sollten Sie zuhause eine Krippe haben, oder in Ihrer Nähe eine Kirche mit einer Krippe - dann probieren Sie es doch selbst einmal aus. Schauen Sie einen Moment in die Krippe hinein, lassen Sie sich anschauen von dem Bild des Kindes – vielleicht berührt und packt Sie dann ja auch die Menschenfreundlichkeit Gottes.