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Sonntagskirche | 27.05.2018 | 08:55 Uhr
Unschuldig oder schuldig
Guten Morgen!
Menschen zerren eine Frau in die Öffentlichkeit.
Sie ist mit einem anderen Mann erwischt worden.
Darauf steht laut Gesetz
Steinigung als Strafe.
Sie bringen die Frau zu Jesus.
„Und was sagst du?“, fragen sie ihn.
Jesus bückt sich,
er kniet nieder vor versammelter Mannschaft,
schreibt mit seinem Finger in den Sand.
Irgendetwas.
Als verstecke er dort ein göttliches Geheimnis.
Als wolle er sagen:
„Meine Gedanken sind nicht eure.“
Aber sie lassen ihn nicht in Ruhe,
sie wollen eine Antwort,
reden auf ihn ein.
Und so steht er auf
und sagt:
„Also gut. Steinigt sie.
Den ersten Stein werfe der,
der noch nie schuldig geworden ist.“
Dann kniet er sich wieder hin
und wendet sich dem Geheimnis
im Sand zu.
Um ihn herum wird es still.
Dann hört man Schritte.
Als erstes gehen die Rechthaber.
Anschließend machen sich die Schaulustigen davon.
Als die letzten Schritte verklungen sind,
blickt Jesus auf,
nur die Frau ist noch da.
Langsam erhebt er sich
und steht ihr gegenüber,
auf Augenhöhe.
Die laute Zurschaustellung
verwandelt sich
in eine leise, zarte Begegnung.
„Hat dich keiner verurteilt?“ fragt er.
„Nein“, sagt sie.
Er schaut sie an – sieht die ganze Geschichte,
nicht nur die eine Nacht,
sieht die Sehnsucht,
auch die Verzweiflung,
nicht nur die Frau, auch den Mann.
Er spürt die Schwere,
das Leid, es tut ihm leid.
Sie werden ihre Zeit brauchen.
Der Mann und die Frau.
Er sieht weiter, sieht eine Zukunft.
Und er sagt:
„Geh hin.
Und bleibe.
Bleibe in Gott.“
Heil werde ich,
wo ich nicht zur Schau gestellt werde,
aber trotzdem gesehen werde.
Wenn ich lernen darf aus meiner Vergangenheit.
Und Zukunft zugesprochen bekomme.
Wenn ich bleiben darf.
Und wenn ich weitergehen darf.
Einen Sonntag
voll solcher heilsamer Momente,
den wünsche ich Ihnen.