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Sonntagskirche | 02.09.2018 | 08:55 Uhr
Das Aschenputtel Prinzip
„Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen.“ Leben nach dem Aschenputtel-Prinzip. „Wenn’s mal so einfach wäre!“ denke ich und starre - frisch nach dem Sommer wieder im Dienst - auf meinen Schreibtisch. Einfach sortieren, nur zwei Möglichkeiten: gut und schlecht, schwarz und weiß, behalten oder weg werfen.
Die Papierstapel vor mir sprechen eine andere Sprache. Ich hab´s leider schon wieder getan: Über Monate alle Papiere auf einen Haufen geworfen. Die Steuerbescheide vom alten und die Belege für das neue Jahr; Rechnungen, bezahlt und unbezahlt; Berichte vom Arzt, natürlich meine gemischt mit denen von Hund und Katz; Kopien für meine Konfirmanden, längst benutzte und die, die ich demnächst brauche. Munter mischen sich Arbeit und Privates, Wichtiges und Unwichtiges, dringend Gesuchtes und schon längst Vergessenes.
Aschenputtel-Prinzip? Ja… Wie gerne hätte ich jetzt die Magd, die mir das Chaos sortiert - oder wenigstens den Vogel, der es tut. Stattdessen sitzt nur einer hinter meiner Stirn und zwitschert mir höhnisch zu, dass das davon kommt, wenn man sich nur die Rosinen aus dem Kuchen pickt; dass es sich eben rächt, wenn man gemütlich im Garten sitzt statt mal gesittet seine Sachen zu sortierten. „Andere benutzen Urlaub ja auch mal zum Aufräumen“, krächzt meine innere Stimme mir zu. „Ja sicher, bei Dir piepst´s wohl“, antworte ich ihr trotzig. „Ich muss mich ja auch mal erholen!“
„Tolle Erholung - dafür hast Du jetzt doppelt so viel Arbeit! Hättest Du direkt sortiert, wäre es jetzt weniger!“ hackt es weiter auf mir rum. „Jaaa - aber dann hätte ich kein Buch gelesen!“ entgegne ich dem Piepen. „Aber erst, wenn alles schön ordentlich ist!“, piept es zurück. „Pah! Ist mir aber gar nicht so wichtig!“
Triumphierend grinse ich meinen Vogel an. Na? Wer hat hier jetzt Recht?
„Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.“ Das hat man mir beigebracht. Aber stimmt das auch? In der Bibel steht es anders: „Alles hat seine Zeit.“ (frei nach Luther-Bibel, Prediger 3,1ff.) Gemeint ist wirklich alles - und nichts davon ist besser oder schlechter. „Weinen hat seine Zeit und Lachen; Klagen hat seine Zeit und Tanzen“ (Prediger 3,4). Der Prediger Salomo schreibt: „Gott hat alles schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er den Menschen die Ewigkeit in ihr Herz gelegt.“ (Prediger 3,11) Ewigkeit. Zeitlos statt Zeitdruck - das steht auf Gottes Uhr.
Was wie ein Märchen klingt, darf ich getrost mitnehmen in den Alltag. Der Urlaub ist vorbei, die Erinnerung an heiße Sommertage und laue Nächte noch warm. Mir hilft es, ein wenig Ordnung zu schaffen, bevor es wieder rund geht. Um wieder sortiert an den Start zu gehen. Erst die Ruhe und dann der Sturm, das wird mir einiges erleichtern. Da hat mein Vogel Recht.
Ich hoffe, dass es mir gelingen wird, die Sommerpause noch lange nachwirken zu lassen. Und mich zu erinnern, dass Gott sein eigenes Aschenputtel-Prinzip hat: Nicht gut und schlecht, nicht erst Arbeit und dann das Vergnügen. Sondern alles ist schön - alles, zu seiner Zeit. Schönen Sonntag!