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Kirche in WDR 4 | 10.04.2019 | 08:55 Uhr
Heilende Tücher (Apostelgeschichte 19,12 und 2. Korinther 12,9ff)
Guten Morgen.
Ganz oft, wenn die kleine
Marie morgens aufwacht, dann hat sie noch ihr Nuckeltuch im Arm. Das Tuch ist
eigentlich ein abgelegtes Unterhemd ihrer Mutter. Mit dem Geruch der Mutter in
der Nase, kann die Kleine am besten einschlafen. Für die kleine Marie geht von
diesem Stück Stoff, das auf der Haut ihrer Mutter gelegen hat, eine nahezu
magische Wirkung aus. Sie beruhigt sich, sie fühlt sich geborgen, sie kann zur
Ruhe kommen – nahezu heilsam dieser Stoff.
Was bei der kleine Marie das
Unterhemd der Mutter ist, ist für viele Erwachsene das Trikot ihres
Lieblingsfußballers oder das durchgeschwitzte T-Shirt ihres Lieblingssängers. In
der Kirche, vor allem in katholischen Gemeinden, werden auch besondere Stoffe
verehrt. In Trier zum Beispiel liegt der „Heilige Rock“ im Dom. Dieses alte,
bräunliche Gewand, soll das Untergewand Jesu Christi sein. Es soll von den
römischen Soldaten verlost worden sein, die die Hinrichtung Jesu durchgeführt
haben. Seit dem 12. Jahrhundert liegt dieses Gewand in Trier und wird immer
wieder zu besonderen Gelegenheiten gezeigt. Dann pilgern tausende von Gläubigen
dorthin – das letzte Mal vor sieben Jahren (2012). Darunter waren auch einige Protestanten.
Aus der protestantischen Tradition gibt es natürlich erhebliche Vorbehalte
gegen solche Veranstaltungen. Aber es ließen sich seinerzeit doch recht viele
Christen motivieren, gemeinsam nach Trier zu pilgern. Sie wollten damit ein
Zeichen setzen: Nur zusammen können wir sinnvoll in der Welt wirken und nicht
als ein zerstrittener Haufen.
Immerhin wird sogar in der
Bibel erzählt: In der Gemeinde von Ephesus werden Kleidungsstücke vom Apostel
Paulus als wunderwirksame Stoffe herumgereicht. Denn die Leute hatten erlebt,
dass Paulus mit seinen Händen vielen geholfen hat. Und so bewahrten sie die
Schweißtücher und andere Tücher auf, die er auf der Haut getragen hatte. Und
sie hielten sie über die Kranken. Und die Krankheiten wichen von ihnen, und die
bösen Geister fuhren aus. (Apostelgeschichte 19,11f) Soweit die Bibel.
Ich glaube nun nicht, dass
man sich in unserem Land Heilungsmethoden in dieser Art von den Krankenkassen
jemals wird bezahlen lassen können. Und der Apostel Paulus selbst weist in
seinen Briefen alle Versuche der Gemeinden entschieden von sich, ihn zu einem
Star des Glaubens zu machen. Vielleicht hat man wirklich mit Tüchern, die er
getragen hat, bei dem einen oder der anderen heilsame Wirkungen hervorrufen
können. Aber Paulus weist seine Gemeinden immer wieder darauf hin: Ich will
euch mit Gott bekannt machen. Mit dem Geber aller guten Gaben – auch der Gabe
der Heilkunst.
So ist es wohl: Manchmal duftet etwas nach Gott, man wird durch einen äußeren
Reiz auf die Spur gebracht, aber dieser Anreiz ist ja noch nicht Gott selbst. So
wenig wie das durchgeschwitzte Trikot der Fußballspieler oder das abgelegte
Unterhemd die Mutter ist.
Aber es ist schon gut, wenn ich
immer wieder einmal Gott auf die Spur komme. Mit den katholischen Geschwistern
beim „Heiligen Rock“ in Trier oder in einem evangelischen Gottesdienst, in dem die
biblischen Geschichten so erzählt werden, dass sie einem regelrecht unter die
Haut gehen.
Gott auf die Spur kommen,
damit ich heil werde. Ein guter Plan.
Ihr Eberhard Helling, Pfarrer aus Lübbecke.