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Kirche in WDR 4 | 13.04.2019 | 08:55 Uhr
Haut ab!
Guten Morgen.
Heute ist Samstag – Schabbat
für die Juden! Ruhetag, der beginnt am Freitag mit dem Sonnenuntergang und
endet heute Abend - ebenfalls mit dem Sonnenuntergang. Da gibt es für gläubige
Juden genaue Vorgaben, was man an diesem Tag tun darf und was nicht. Der
Schabbat, der Ruhetag kann den Lebensstress wohltuend unterbrechen. So wie für
Christen der Sonntag. Ich finde es gut, dass wir in Deutschland unseren Glauben
leben können. Die Rituale feiern. Die Juden, die Christen, die Muslime und die
vielen anderen Religionen. Für Juden war das im Dritten Reich nicht möglich.
Sie wurden verfolgt und vernichtet. In den letzten Jahren sind viele Juden vor
allem aus Russland nach Deutschland gekommen. Diese zu integrieren, war für die
wenigen hier lebenden deutschen Juden eine große Herausforderung. Aber nach und
nach blüht in vielen jüdischen Gemeinden das Gemeindeleben auf. Wunderbar, dass
sich das hier entwickeln kann.
Klar, manches am Judentum kann ich nicht nachvollziehen. Die Beschneidung zum Beispiel. Laut jüdischer Tradition muss jeder jüdische Junge am achten Tag nach seiner Geburt beschnitten werden. Durch einen medizinisch geschulten Fachmann, den Mohel wird die Vorhaut des kleinen Jungen mit einem Rundschnitt abgetrennt. Diese Tradition geht auf den Stammvater Abraham zurück, auf den sich auch die Muslime beziehen. In der Bibel steht: Gott hat Abraham angewiesen, alle männlichen Nachfahren zu beschneiden. So ist die Beschneidung seit über 3.000 Jahren das sichtbare Zeichen der Verbundenheit zwischen Gott und seinem Volk Israel.
2012 hat das Kölner Landgericht in einem heftig diskutierten Urteil die religiös begründete Beschneidung als „einfache Körperverletzung“ bewertet – und damit als strafbar. Eine heftige Debatte schloss sich an. Es gab eine sehr klug gemachte Ausstellung im jüdischen Museum in Berlin unter dem Motto „Haut ab!“. Mir wurde dabei klar: Auch innerhalb des Judentums gibt es ganz verschiedene Ansichten über die Beschneidung.
Berührt hat mich damals ein junges jüdisches Paar. (1) Es war so glücklich seinen Sohn in der wiederaufgebauten Synagoge am Fraenkelufer in Berlin beschneiden lassen zu können. Ihre Vorfahren mussten aus Nazi-Deutschland fliehen – und nun war es möglich, den eigenen Glauben wieder hier leben zu können. Als Christ brauche ich dieses Gebot der Beschneidung nicht zu befolgen. Aber ich freue mich aus tiefstem Herzen, dass in unserem Land wieder jüdisches Leben möglich ist. Ich muss nicht alles verstehen und nachvollziehen können. Aber ich achte den jüdischen Glauben, der auch Grundlage meines Glaubens ist. Und ich mag den jüdischen Witz:
Ein Reisender kommt in ein
jüdisches Viertel. Er sieht in einem Schaufenster schöne Uhren. Eine findet er
besonders schön und geht ins Geschäft hinein. Sie ist nicht zu verkaufen. Da
fragt der Mann nach den weiteren Uhren, die in der Auslage liegen. Alle nicht
zu verkaufen. Was soll das? „Nun“, sagt der Verkäufer, „ich bin der Mohel, der
Beschneider.
Was meinen Sie, soll ich in
die Auslage legen?“ Schabbat Schalom. Einen schönen Sabbat.
Den wünscht Ihnen Ihr Eberhard Helling, Pfarrer aus Lübbecke.
(1) Vgl. https://www.jmberlin.de/blog/2015/02/rituelle-beschneidung/#more-4363.