Schumacher

Und er so: „Normalerweise kommen hier täglich 5-10 Leute rein und fragen, wie es dem Alten geht. Und am Samstag stehe ich hier den ganzen Vormittag im Laden und er ist gerade neun Stunden tot, und keiner fragt. Ich wollte die Leute anschreien: Fragt doch endlich! Er ist nämlich tot.“

17 Jahre haben sie Seite an Seite gearbeitet. Jeden Tag in der Werkstatt gesessen.

„Und er wollte mir nie zeigen, wie man die Spulen austauscht...“, klagt er ein wenig. „…aber ich hab ihm über die Schulter geguckt. Und ich weiß es jetzt doch!“

Er sagt das wie ein schlauer kleiner Junge, der seinem Papa bei einem typischen Papawunder auf die Spur gekommen ist. Der Schuhmacher ist Mitte 40, der Papa war schwer krank. Und trotzdem: Die Trauer erwischt ihn wie jeden anderen mitten im Alltag, beim leisesten Anlass.

Wir erzählen uns so von unseren verstorbenen Vätern, zwischendurch stehen uns beiden ein paar Tränen in den Augen - denn die müssen wohl sein, auch beim stärksten Schuhmacher.

Bald ist die Beerdigung, er ist froh, wenn sie die hinter sich haben.

Ich will was Religiöses sagen, aber es passt nicht zu meinem Schuhmacher. Aber ich merke, wie sicher es sich in mir anfühlt, dass der Vater jetzt bei Gott ist.

In der Rocktasche spüre ich die kleine Bronze, auf der ein Mensch in einer großen Hand liegt. Die habe ich immer dabei: Tiefer als in Gottes Hand kannst du nicht fallen, bete ich still für den Vater und für den Schuhmacher.