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Kirche in WDR 4 | 21.10.2019 | 08:55 Uhr
Gurken-Segen
Autor: Guten Morgen!
„Sich regen bringt Segen“
raunzt die Frau am Kiosk, der rund um die Uhr offen ist. Sie sieht aus, als
könnte sie Monate ohne Schlaf zubringen und reißt dem Fahrer das Bündel mit den
Zeitungen aus der Hand. Ist ihr wohl zu langsam. Wie die ihr „Sich regen bringt
Segen“ aufsagt fragst Du Dich sofort, ob Du Dich wohl ja genug geregt hast, um
auch etwas Segen abzukriegen und was denn mit denen ist, die sich gar nicht
mehr regen können.
Und ob Segen nicht auch mit Langsamkeit zu tun haben könnte, mit Stolpern und Hinken, mit Tappen und Nachklappen.
So jedenfalls lese ich es in
der Bibel-Geschichte von Jakob. Der kämpft nachts mit Gott und ringt um seinen
Segen.
Sprecherin: „Und das Gelenk der Hüfte Jakobs wurde durch das Ringen mit Gott
verrenkt. .... Und als ... die Sonne aufging,
... hinkte er an seiner Hüfte.“ (1.Mose 32,26+32)
Autor: „Heile heile Segen“ singt die Mutter im Stadtpark, als die Dreijährige von der Schaukel gerutscht ist. „Drei Tage Regen, drei Tage Schnee, tut schon nicht mehr weh“ und dem Mädchen blutet das Knie und die Mutter wiegt es im Arm, streichelt, flüstert, pustet auf die Stelle. Und man kriegt so eine Ahnung oder eine Erinnerung, wie Segen sein könnte: Eine die da ist, wenn’s weh tut. Eine die pustet und singt, die mich hält, bis es aufhört wehzutun.
Eine, die mich daran
erinnert: Das, was Dich jetzt prägt und Du jetzt bist, ist nicht alles. Eine
die sagt, dass es anders werden könnte - ja sogar, dass ich anders werden
könnte.
Sprecherin: „Du sollst nicht mehr Jakob, Du sollst Israel heißen“, so erfährt es der Segenskämpfer von Gott (1Mose 32,29).
Autor:
„Meinen Segen hast Du“, sagt der alte Herr zu
seinem Sohn und greift nach der Fernbedienung, aber es klingt eher wie: „Du
machst ja eh, was du willst – also sieh zu wie Du klar kommst.“
Auf dieses Absegnen hätte der Sohn gut verzichten können. Als ob er gekommen wäre, sich eine Erlaubnis zu holen.
Interesse hätte er sich vom Vater gewünscht oder auch Widerspruch. Einen, bei dem du spürst, es lässt ihn nicht kalt, er lässt dich ganz frei und er hängt sich ganz rein.
„Mensch, Du bist mutig - und
wenn ich was tun kann, weißt ja wo Du mich findest.“ – das wär’ ein Segen
gewesen.
„Es regnet – Gott segnet, die Erde wird nass“, sagt die alte Frau im Garten und wischt sich die Hände an der Schürze ab. „Wurde aber auch höchste Zeit, sonst wär alles vergangen“, sagt sie und zeigt auf die grünen Gurkenpflänzchen, von denen in dicken Perlen der Regen auf den Boden tropft. Acht Wochen Freibadwetter – das ist für die Gurken ganz und gar kein Segen. Aber so ein Gurkensalat zur Bratwurst und dann ein Bier – das ist ein Segen.
Gott braucht zum Segnen keine weltumstürzenden Machterweise, keine blitzezuckenden Großtaten, er stemmt sich zuverlässig und unauffällig dagegen „dass alles vergeht.“
Er sendet Regen und Tau und
Sonne und erdenfromme Gartenomas, die Gurken gießen, wenn’s not tut – und
Zweisatzpredigten halten, von dem Gott, der nicht alles vergehen lässt.
Und er schickt sich selbst, Gottessohn und Menschenbruder. Ringt mit uns, ringt um uns und gewinnt uns.
Sprecherin: Gott aber sprach: Warum fragst Du wie ich heiße? Und er segnete Jakob.
Autor:
„Segnen“ – so schreibt es der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer – „das
heißt die Hand auf etwas legen und sagen: du gehörst trotz allem zu Gott. [...]
Wer selbst gesegnet wurde,
der
[...]
muss da, wo er ist selbst ein Segen sein. Nur
aus dem Unmöglichen kann die Welt erneuert werden, dieses Unmögliche ist der
Segen Gottes.“ (1)
Einen gesegneten Tag wünscht
Ihnen,
Ihr Jan-Dirk Döhling aus
Bielefeld.
(1)
Dietrich
Bonhoeffer, Predigten - Auslegungen - Meditationen herausgegeben von Otto
Dudzus. Band 2. 1935-1945,
München 1998, Seite 67.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze