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Kirche in WDR 4 | 19.10.2020 | 08:55 Uhr
Eine besondere Türsteherin
wenn am Sonntagmorgen die Leute zum Gottesdienst kamen, dann wartete in meiner Kirchengemeinde früher dort der Begrüßungsdienst. Nette Menschen aus der Gemeinde mit einem freundlichen Lächeln und einem kräftigen Händedruck. Seit der Pandemie hat sich jedoch diese ehrenamtliche Aufgabe stark verändert. Der Begrüßungsdienst ist eher zu einer Art kirchlichem Ordnerdienst geworden. Fast schon eine Art Security.
Nicht jedem vom bisherigen Begrüßungsdienst ist diese Aufgabe angenehm. Wer will schon Menschen willkommen heißen und zugewandt sein und sie zugleich auf Abstandsregeln und Maske hinweisen. Dabei ist es ein Liebesdienst am Nächsten, wenn ich für seinen Schutz sorge. Vielleicht hilft ein Blick in die Bibel, diesen Türsteherdienst neu zu verstehen. Da schreibt der Evangelist Johannes von einer ganz besonderen Türsteherin:
Sprecherin: „Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe wirft die Furcht heraus. Denn Furcht rechnet mit Strafe. Wer sich aber fürchtet, ist nicht vollkommen in der Liebe. Lasst uns aber lieben, denn Gott hat uns zuerst geliebt.“ (1. Johannes 4,17-19)
Die Liebe als Rausschmeißerin. Eine Dame, die erstaunlich kräftig ist. Sie wirft die Furcht raus. Es ist eine besondere Form der Furcht, die hier vor die Tür – in unserem Fall vor die Kirchentür - gesetzt wird. Die ungesunde Furcht, die uns unsere Freiheit raubt. Es gibt ja zwei Arten von Furcht oder Angst: Sie ist zum einen ein wichtiger Reflex, wenn eine Gefahr droht. Diese Angst ist not - wendig. Wer diese Angst nicht kennt, ist hochgradig gefährdet. Wenn ich über die Straße gehe und ich sehe plötzlich ein Auto auf mich zu rasen, dann braucht es diesen wichtigen Reflex, damit ich so schnell wie möglich zur Seite springe. Oder bei Corona – es braucht den nötigen Respekt vor der Krankheit, um alles tun, um andere und mich gut zu schützen. Aber es gibt ja auch die ungesunde, ja manchmal sogar krankhafte Form der Angst. Die Einschließungsangst oder Platzangst zum Beispiel. Oft braucht es dazu fachkundige psychotherapeutische Hilfe, um sie zu überwinden.
Und dann gibt es da noch kleinere Ängste. Die können in der Summe eine Institution, eine Firma oder die Kirchengemeinde von innen her gefährden. Zum Beispiel die über große Angst, etwas falsch zu machen.
Besonders in den letzten Monaten erlebe ich diese lähmende Angst. Die Kirchengemeinde will unter Corona-Bedingungen möglichst alles richtig machen. Das ist gut so. Manche Ehrenamtliche packt dabei aber die Angst, etwas falsch zu machen. Sie ziehen sich zurück. Ich versuche als Pfarrer daran zu erinnern: Unser alltägliches Leben ist von so vielen Unwägbarkeiten bestimmt, dass wir unmöglich alles richtigmachen können. Wir werden immer wieder Fehler machen und wir werden auch schuldig aneinander. Und hier gibt es nun ein Missverständnis: Die meisten haben Angst, bestraft zu werden, wenn ein Fehler passiert. Die vollkommene Liebe, die die Furcht rausschmeißt, rechnet aber nicht mit Bestrafung. Sie weiß um die Vergebung und ist daher immer fehlerfreundlich. Ich finde: Es braucht eine Kirche mit der Liebe als Türsteherin. Mit vielen, die die falschen Ängste herauswerfen und nach bestem Wissen und Gewissen unter Coronabedingungen ein gutes Gemeindeleben gestalten. So eine Kirche ist auch in Coronazeiten sehr einladend.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze