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Sonntagskirche | 07.03.2021 | 08:55 Uhr
Wo die Musik spielt
Meine
sogenannte „Kirchenkarriere“ begann mit Blicken nach „oben“.
Keine Sorge: mit „oben“ meine ich nicht,
„die, da oben“ – also den Papst, die Bischöfe, oder den „Herrn Pastor“. Mit
oben meine ich, den Blick auf die Orgelempore in Lobberich. Dort stand sie: die
große Orgel, die unseren „Niederrhein-Dom“ in St. Sebastian bis heute machtvoll
mit Klang erfüllt. Schon als kleines Kind war ich von den unterschiedlichen
Klängen dieser „Königin der Instrumente“ so fasziniert, dass es mich nicht mehr
losließ. Aus alten Küchenkrepp- und Klopapierrollen baute ich gefühlt ganze
Orgellandschaften nach. Und endlich, zu meiner Erstkommunion, wurde ein Klavier
geschenkt. Die Grundlagen waren gelegt, um irgendwann selber an dem großen
Spieltisch, quasi zwischen Himmel und Erde, sitzen zu können. Es war also keine
„traditionelle“ Messdiener-Karriere. Es war die Musik, genauer: die Orgelmusik,
die mich damals so faszinierte, dass ich auch in pubertierenden Jugendjahren
der Kirche eben nicht den Rücken zuwandte. Ich blieb. Warum? Weil es immer auch
Menschen in meiner Nähe gab, die es verstanden haben auf diesem traditionellen
Instrument das Leben in all seinen Facetten zum klingen zu bringen.
Meditativ-nachdenklich, feierlich aufbrausend, als Seelenbalsam für die
Wegwunden des Lebens, herausfordernd modern und lieblich, ja: fast kitschig
(auch das braucht man ja manchmal). Solche Kirchenmusikerinnen und
Kirchenmusiker gab und gibt es immer in meinem Leben. Sie haben mir gelehrt
meinen Glauben mit einer gewissen Musikalität zu leben. Ihre Musik hat ich
inspiriert selber musikalisch zu werden und die Musik als Ausdruck meiner
Überzeugungen, aber auch meiner Fragen, immer wieder zu nutzen.
In diesem Jahr ist die Orgel das sogenannte „Instrument des Jahres“ – Verdient, wie ich finde. Ich möchte dieses Festjahr aber auch zum Anlass nehmen, jenen Menschen zu danken die es in meinem Leben spielten und spielen. Weiter noch: Ich sage DANKE für die Musik in der Kirche. Vielleicht ist es an manchen Stellen und zu manchen Zeiten alleine ihr Verdienst gewesen, dass ich eben nicht gegangen bin. Die Musik zaubert nicht alles weg. Wie auch? Sie kann nicht übertünchen und ungeschehen machen, was an schrecklichen Dingen offenbar geworden ist und vielleicht noch kommen wird. Aber die Musik ist eben (wie es Grönemeyer sagt) ein „Stück vom Himmel“. Aber: eben nur ein Stück.
Dieser „Blick nach oben“ meiner Kindertage; der Blick auf die Orgelempore. Das ist vielleicht ein wunderbar inszenierter Hinweis darauf, wohin unser Blick eigentlich gehen soll in unseren Kirchenräumen und in der Kirche insgesamt: Nach oben. Aber damit ist sicher nicht die Macht- und Lenkungsebene gemeint, sondern jener Ort, wo wir das finden, was uns wirklich berührt und betrifft, was uns guttut und uns inspiriert.
So wünsche ich mir meine Kirche. Bis jetzt halten diese Erinnerungen aus Kindertagen, meine Liebe zur Musik, und die musizierenden Menschen um mich herum die Sehnsucht nach all dem wach. Bis jetzt bleibe ich. Trotz aller verheerender Katastrophen.
Ich
verordne mir und der ganzen Kirche also in diesem Jahr der Orgel einmal mehr
den Blick nach oben.- also dorthin, wo die Musik spielt und uns von dem erzählt,
was wir himmlisch und göttlich nennen.