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Kirche in WDR 4 | 08.06.2021 | 08:55 Uhr
Verdreht
Mein Lieblingstag früher im Ferienlager: der „Alles – andersrum – Tag“.
Direkt nach dem
Aufstehen gab es eine Party. Nuss-Nougat-Creme nur am Abend, bloß nicht am
Morgen. Mittags hieß es: erst den Nachtisch und dann das Gemüse… Die Kinder
wussten schnell, worum es geht und manche sind voll eingestiegen und überlegten
sich, was sie noch so alles andersrum machen können: Sie haben ihre T-Shirts
und Hosen falschrum angezogen, haben v sich im Rückwärtslaufen versucht
und -sprechen. Das Gruppenspiel am Nachmittag begann an diesem Tag immer mit
der Siegerehrung. Wir hatten ständig neue Ideen, was noch andersrum gedacht
werden könnte. Es war herrlich bekloppt!
Manchmal denke ich grinsend an diese schönen Ferienlagerzeiten zurück und frage mich: Mal die ein- oder andere Schein-Selbstverständlichkeit in Frage zu stellen - wäre das nicht sogar ziemlich klug?
Also z.B.: Warum muss sich das komplette Privatleben nach der Arbeit richten, statt andersrum? Was für eine Vorstellung: Beim Einstellungsgespräch fragt die Chefin, den neuen Mitarbeiter: „Wann haben Sie gut Zeit, um zu arbeiten? Und wo möchten Sie das am liebsten tun?“ Nachteulen könnten arbeiten, wenn sie wach sind. Eltern, wenn ihre Kinder betreut sind. Homeoffice oder nicht – alles wäre Verhandlungssache. Meine Prognose: Zufriedene Gesichter auf allen Seiten.
Oder wie wäre es damit: Wer Geburtstag hat, wird grundsätzlich von den Freunden eingeladen und bekocht. Und bringt kleine Geschenke für sie mit, um ihnen zu zeigen: So schön, mit Dir dieses Leben zu feiern!
Oder, auch gut möglich: Die Kirche bleibt nicht im Dorf, sondern wagt sich mal raus. Wir gehen nur noch dahin, wo wir gebraucht werden, statt zu warten, dass jemand kommt.
Ich stell mir vor, der Busfahrer drückt mir Geld in die Hand, weil ich ja das Auto stehen lasse, im Baumarkt werde ich schon am Eingang von einer Mitarbeiterin gefragt, ob sie mir helfen kann und Croissants wären das Gesündeste Frühstück, was es gibt…
Okay, jetzt geht es mir mit durch… Aber ganz ehrlich: Ich wäre so gerne mal wieder in diesem „Alles-andersrum-Tag-Modus“… Mal wieder auf lauter Ideen kommen, welche Selbstverständlichkeiten ruhig verrückbar sind. Für einen Tag oder ganz grundsätzlich. Ich könnte das Trainingslager ja damit starten, heute den Nachtisch zuerst zu essen…