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Kirche in WDR 4 | 01.09.2021 | 08:55 Uhr
Verbotene Wahlspende
„Klaus: was soll ich wählen?“ Jetzt ist September und am 26. wird gewählt. Und als ich auf diese Frage eine Antwort hatte, wäre ich beinahe straffällig geworden.
Aber
mal von Anfang: Die Frage hat mir ein Freund gestellt. Er ist 81 Jahre alt,
alleinstehend; eigentlich hochpolitisch, aber gerade ziemlich resigniert über
die Parteien. „Klaus: Was soll ich wählen? Das ist die erste Wahl, wo ich
eigentlich gar nicht wählen gehen will. Vieles, von dem, was die entscheiden,
betrifft mich womöglich eh nicht mehr.“
Vielleicht hat mein Freund Recht mit seinen 81 Jahren. Aber immerhin: Er
darf wählen. Und so kam mir folgende Idee: „Was“, fragte ich, „wenn Du eine
besondere „Wahlspende“ machen würdest: Du schenkst Deine Stimme meiner Nichte
Jana“, war mein Vorschlag. Also keine Wahlempfehlung von mir, sondern eine von
der Generation nach mir. Jana ist 15 Jahre jung. Sie darf noch nicht wählen.
Aber diese Wahl wird für ihre Zukunft entscheidend sein: in der
Bildungspolitik, in der Frage, wie die Corona-Schulden abzubauen sind und
sowieso: worauf wir verzichten wollen, um das Klima zu retten. Meine Idee: Wenn
Jana sich im Netz kundig macht, z.B. durch den WDR-Kandidatencheck, durch den
Wahl-O-Mat, welche Partei für ihre Interessen steht und sie das in 5 Sätzen
zusammenschreibt, ob er dann auf ihre Wahlempfehlung eingehen würde. Ich dachte
mir: der Freund entscheidet ja dann immer noch frei – kann also nichts
Verwerfliches dran sein. Ob mein Freund sich nun durch das Kanzlerduell in
seiner Wahlentscheidung
beeinflussen
lässt oder durch die Ansichten einer konkreten jungen Frau: ihre Fragen, ihre
Themen, ihre Wünsche…
Aber
dann habe ich mich mal schlau gemacht. Und hätte mein Freund diese „Wahlspende“
getätigt und wäre das bekannt geworden, dann hätte das empfindliche Strafen
nach sich gezogen. Das kann mitunter mehrere tausend Euro kosten, hat mir ein
Bekannter gesagt, der sich gut im deutschen Wahlrecht auskennt. Denn so
wertvoll ist jede Wahl-Stimme der Bundesregierung. Die kann man nicht einfach
und ohne triftigen Grund jemand anderem übertragen.
Wow,
da hab ich noch mal gemerkt, was das wirklich für ein hohes Gut ist, wählen zu
gehen. Und ehrlich gesagt: Als ich das erfahren hatte, fand ich das umso
unfairer, dass junge Menschen wie meine Nichte nicht mitwählen können. Denn die
„Jugend von heute“ ist weitaus politischer, als manche Erwachsene denken. Und
die Generation meiner Nichte wird es mitunter schwerer haben als meine
Generation, ich bin 42. Die „Jugend von heute“ hat in der Corona-Krise eh schon
viel für die ältere Generation zurück stecken müssen – ich sage nur:
Homeschooling, vertane Bildungschancen. Und die junge Generation ahnt es nicht
nur, sie weiß es: Sie wird mit dem Klimawandel leben müssen und mit allen
Konsequenzen, die das hervorbringt. Diese Wahl wird also richtig wichtig. Und
da sollte jeder das Privileg nutzen, wählen zu gehen.
Ich habe beim Projekt „Wahlspende für meine Nichte“ zurückgerudert, als ich von den rechtlichen Konsequenzen gehört habe. Aber: dass die ältere Generation ihre Wahl vielleicht auch für die Generation der Enkel und Urenkel trifft, das wäre trotzdem nachhaltig und fair. Verantwortlich wählen zu gehen, das ist vielleicht kein so frommer Wunsch – aber das ist heute meiner an Sie, am Beginn des Wahlmonats. Und der Rest ist: Wahlgeheimnis.