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Kirche in WDR 4 | 11.09.2021 | 08:55 Uhr
Das schreit zum Himmel
Guten Morgen,
heute ist der 11. September, Nine Eleven. An den extremistischen Terroranschlag von New York vor 20 Jahren erinnern noch Steine. An der Gedenkstätte in New York mahnen an der Stelle der Fundamente der beiden Türme zwei große Wasserbecken. In Bronzeplatten an einer Mauer rund um die Becken sind die Namen derer eingraviert, die dort ihr Leben gelassen haben. Im Museum finden sich noch Mauerreste und Säulen der in sich zusammengefallenen Gebäude. Ein Besucher beschreibt im Netz eindrücklich einen Betonklotz. Fünf Etagen des World Trade Centers wurden wohl zu diesem Klotz zusammengepresst, als die beiden Flugzeuge in die Gebäude hinein krachten und sie zum Einstürzen brachten. Im Innenhof der amerikanischen Botschaft in Berlin hält ein Gedenkstein die Erinnerung an die elf deutschen Opfer des Unglücks wach. (1) In der Stadt, wo ja auch noch Reste der deutsch-deutschen Mauer stehen als Mahnmal gegen Unfreiheit und verletzte Menschenwürde. Kurz nach ihrer Errichtung in den 1960-er Jahren stand auf schwarzen Plakaten mit weißen Buchstaben: „Die Steine in der Mauer werden schreien.“ Und so, denke ich, war es ja dann wirklich bis zum Mauerfall und bis heute. Da sind Worte des Propheten Habakuk aus der Bibel zitiert. (2) Bei ihm geht es weiter: „Ihr habt so viele Völker zerschlagen, so viele Leben auf dem Gewissen. Die Spuren Eurer Verwüstung werden noch lange davon zeugen.“ (3) Als Jesus auf dem Weg nach Jerusalem ist und seine Anhänger ihm zujubeln, verlangen die politisch und religiös Verantwortlichen: „Bring sie zum Schweigen.“ Auch seine Antwort: „Wenn diese aufhören (zu schreien), schreien die Steine.“ Damit sind damals die Steine des zerstörten Tempels in Jerusalem gemeint.
Wo Anhänger von Frieden und Gerechtigkeit und Liebe zu allen Lebewesen mundtot gemacht werden, da schreien die Überreste vergangenen Unrechts. Sie mahnen zur Umkehr. Natürlich sollen wir weiter Unrecht beim Namen nennen, uns für Frieden und Gerechtigkeit einsetzen und Unrecht in den Himmel schreien. Doch wir werden unterstützt von den Steinen, denen man das Unrecht noch ansieht. Es ist gut so, dass es nicht nur an uns hängt, ob Unrecht ankommt bei denen, die es wenden können und ob es ankommt im Himmel. Und dass es nicht nur an uns hängt, ob es irgendwann aufhört. Die Reaktion auf den menschenverachtenden Anschlag auf das World Trade Center damals in den USA war Krieg. Nach 20 Jahren sind die damals in Afghanistan installierten Truppen nun abgezogen worden und der Krieg gegen den Terror wurde beendet. Erfolglos. Auch wenn dazu viel geschwiegen wird. Die Trümmer an den verlassenen Orten, in den Seelen der Familien, die Menschen verloren haben und die jetzt um ihr Leben bangen, die Trümmer der zerstörten Hoffnungen schreien zum Himmel. Mögen die Schreie auch uns erreichen – damit wir weiter helfen. Mit einer Luftbrücke. Mit weiterer Unterstützung der Projekte, die in dem Land wirksam und hilfreich sind. Und damit wir beten: Gott, wende diese Not. Wir schaffen es nicht allein.
Ihre Pfarrerin Barbara Schwahn, Meerbusch.
(1)
Michael Moll, www.weltenbummler.de/blog/gedenkstätte-des-11-September und www.morgenpost.de/berlin/article102563568/Gedenkstein für deutsche
Terroropfer.
(2) Michael Becker, Wochenandacht zu Monatsspruch Lukas 19,40, Werkstatt für Liturgie und Predigt, 1-2021, S. 2.
(3) Die Bibel, Habakuk 2,11.
Redaktion: Landespfarrerin
Petra Schulze