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Kirche in WDR 4 | 13.09.2022 | 08:55 Uhr
Zuhören nervt
Zuhören nervt.
Halt! Ich muss genauer sein: Zuhören nervt mich. Und das ist für einen
gelernten Sozialpädagogen ein gewaltiges Problem. Wenn Menschen zu mir kommen
und mir
ihre Probleme und
Schwierigkeiten erzählen, läuft in meinem Kopf sofort ein Film ab. Ich wälze
innerlich gleich,
woher das Problem
kommen könnte, was ich noch alles wissen muss um das Problem wirklich
nachvollziehen zu können und vor allem ich denke darüber nach, wie man dieses
Problem wohl lösen könnte. Ist mir eine Idee gekommen brenne ich darauf meinem
Gegenüber zu erzählen was ich in seiner/ihrer Situation machen würde, welche
Schritte als erste Hilfe bringen könnten und wen man ansprechen kann, um
Unterstützung zu bekommen. Ich will helfen. Ich will retten. Ich will das
Problem lösen. Das ist möglicherweise ein ehrenwertes Ziel, aber es ist auch
arrogant und im schlimmsten Fall übergrifig. Meistens will mein Gegenüber
nämlich gar nicht, dass ich das Problem löse, sondern einfach nur, dass ich zuhöre
und teilnehme an dem, was in ihr oder ihm vorgeht. Das ist mir in der Theorie
klar, aber trotzdem tappe ich immer wieder in die Helferfalle und überschütte
Leute mit Ratschlägen, die vielleicht gar keine wollen bzw. innerlich noch mit
Trauer, Wut oder Verzweiflung beschäftigt sind und überhaupt noch gar keine
Energie haben, irgendwelche Probleme zu lösen.
Eine wichtige Lektion zum Thema zuhören habe ich in den letzten Wochen an einem Krankenbett gelernt. Ich habe es hier schon einmal erzählt. Ein guter Freund liegt mit Krebs im Krankenhaus. Die Lage ist kompliziert, gefährlich, langwierig aber nicht hoffnungslos. Aber die Lage ist vor allem so, dass mir keine Lösung einfällt. Ich habe keinen Ratschlag anzubieten, weil ich mir nicht einmal ungefähr vorstellen kann welche Schmerzen meine Freund erduldet, welche Ängste er durchleidet und welche düsteren Gedanken ihn quälen, wenn er Nachts nicht schlafen kann.
Sehr gerne würde ich ihn retten, aber das kann ich nicht. Ich kann nur an seinem Bett sitzen, ab und an eine Frage stellen, da sein und zuhören. Und ich lerne, dass das wichtig ist, auch wenn sich dadurch noch kein Problem gelöst hat.