Beiträge auf: wdr4
Kirche in WDR 4 | 23.07.2024 | 08:55 Uhr
Anklopfen
Guten Morgen.
Auf einer Beerdigung in unserem Dorf habe ich Ahmed wiedergetroffen. Einige Jahre haben wir uns nicht gesehen. In der Trauer nach einer Beisetzung rückt man ja oft näher zusammen und tauscht bei Kaffee und Kuchen Erinnerungen aus.
Allein daran wie er spricht, höre ich, wie sehr er in Deutschland angekommen ist. Ihn hat’s in eine kleine Stadt im Rheinland verschlagen. Weit weg von den Trümmern seiner Erinnerungen, baut er sich seine Heimat wieder einmal neu.
Und dann schaut er mich an und meine Frau, die jetzt bei mir ist und sagt: „Danke. Danke, dass ihr an meine Tür geklopft habt. Der Tag hat alles verändert.“ – Wow. Wir erinnern uns genau, an diesen Augenblick. Herbst 2014. Die Container am Rande des Dorfes hatten wir entfernt wahrgenommen, aber bisher links liegen lassen. Zuerst wussten wir nicht genau wer dort zu Hause ist. Saisonarbeiter, meinte jemand. Nein, nein, Flüchtlinge, ein anderer.
Wir wollten es selbst wissen und wagten es. Die Tür außen stand offen. Also gingen wir hinein, meine Frau und ich. Und wir klopften vorsichtig an die Türen im Inneren. Hinter einer machte Ahmed auf. Etwas überrascht, die neuen Nachbarn zu treffen, aber sofort auch sehr offen. Mit Handys und Füßen, mit einem Lächeln und freundlichen Gesten kamen wir miteinander ins Gespräch. Wir spürten, wir sind hier bei Ahmed willkommen. Wir waren plötzlich die Gäste. Diese Momente haben sich in unser Herz eingebrannt.
„Brauchst du etwas?“, haben wir gefragt. Und wir dachten an Dinge wie Küchenutensilien oder Kleidung. Ja, sagte er: Deutsch lernen! Das war der größte, der wichtigste Wunsch. Ahmed war seit Monaten hier gewesen, aber außer den Hausmeistern, hatte noch nie jemand geklopft, und er wollte seine Chance beim Schopfe packen. Schenkt mir, dass wir miteinander reden können!
Auf der Trauerfeier erzählt er, wohin seine Reise gegangen ist. Wie viele Entscheidungen zu treffen sind. Wie nicht alles gut geht. Wie man manchmal neu anfangen muss. Wie man sein Leben in einer neuen Welt neu erfindet. „Danke, dass ihr geklopft habt. Von dem Tag an, hat sich mein Leben verändert.“
Gott klopft übrigens auch gerne mal an: „Merkst du nicht, dass ich vor der Tür stehe und anklopfe? Wer meine Stimme hört und mir öffnet, zu dem werde ich hineingehen, und wir werden miteinander essen. “ Steht genauso in der Bibel, ganz hinten, letztes Buch. (Offenbarung 3,20; Neue Genfer Übersetzung)
– Gott klopft an, weil ich ihm
nicht egal bin. Weil er mich kennenlernen möchte. Zum Essen kommen, ins Reden
kommen. – Also, ich weiß nicht wie‘s Ihnen geht. Aber
auf das Essen, auf das Gespräch bin ich gespannt…
Ach, wir sollten öfter den Mut finden zu klopfen. Freundlich mit einem Lächeln, „Hallo“ sagen, bei einer alten Nachbarin oder einem jungen Geflüchteten. Vielleicht bringen wir Kekse mit und bekommen Kaffee oder Tee und Geschichten aus einer anderen Welt oder Zeit in unserer Nachbarschaft. Und dann werden uns diese Menschen nicht mehr egal sein. Dann werden wir keine Geschichten über sie erzählen, sondern Geschichten, die wir gemeinsam erlebt haben. Und das wird unsere Geschichte verändern. – Übrigens habe ich Ahmed kein Deutsch beigebracht. Andere haben sich gefunden die sagten, das kann ich übernehmen. Wie die Familie zu der Ahmed auf die Trauerfeier in unser Dorf gekommen ist, weil er Teil ihrer Familie geworden war.
Ich wünsche Ihnen offene Türen – und ein klopfendes Herz. Patrick Depuhl, Alpen.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze