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Kirche in WDR 4 | 26.07.2024 | 08:55 Uhr
Glückliche Finder
Guten Morgen.
Es ist ein bisschen verrückt. Vielleicht kennen Sie das auch: Diese große Überraschung und die Freude, wenn Sie ganz unerwartet Geld finden. Auch schon, wenn man nur einen Glücks-Cent findet. Ob auf der Straße, in einer Jacke, die man schon lange nicht mehr getragen hat. Oder vielleicht auch in den Tiefen einer großen Handtasche, die einem schwarzen Loch gleichkommt… Oder sogar im Wechselgeldfach des Parkscheinautomaten. Einfach ein Glücksgefühl. Die Überraschung, die Freude darüber ist bei mir immer riesig. Ich habe das Geld in der Manteltasche anscheinend nicht vermisst – es hat mich ja auch nicht ärmer gemacht, aber jetzt, da ich es gefunden habe, macht es mich besonders glücklich.
Eine Studie im Bereich der Psychologie hat herausgefunden: Leute, die kurz vorher etwas Kleingeld auf der Straße gefunden haben, sind hilfsbereiter als Leute, die kein solches Erlebnis hatten. Und zwar sehr viel mehr Leute: Auf einen Helfer ohne einen solchen Münzenfund kommen VIER, die vorher Geld gefunden haben. Vielleicht sollte man dann doch ab und an mal ein Geldstück auf den Gehweg legen, denke ich.
Dass Menschen so funktionieren, wusste man offenbar schon in biblischer Zeit. In der Bibel steht häufiger, dass ich teilen und anderen etwas geben soll. Interessant ist, was davor gesagt wird: Besinne dich immer wieder darauf, was du selbst in deinem Leben alles geschenkt bekommen hast.
An den Tagen, an denen es mir gut geht, ist es nicht besonders schwer, mich von Gott beschenkt zu fühlen.
Schwierig wird es erst, wenn alles ganz anders kommt. Wenn die Dinge nicht so sind wie sie sein sollten. Wie erhalte ich dann in mir das Gefühl, dass ich beschenkt bin und gern abgeben kann. Bei mir klappt das, wenn ich mich daran erinnere, was für mich selbstverständlich geworden ist, für andere aber nicht.
Zum Beispiel den Kaffee bei meinem Lieblingsitaliener. In Neapel gibt es seit über 100 Jahren die Tradition des „caffè sospeso“ – den aufgeschobenen Kaffee. Man bestellt in einem Café nicht nur einen Kaffee für sich selbst, sondern auch für jemanden, der sich diesen Kaffee nicht leisten kann. Mich selbst kostet das wenig, für eine andere ist das jede Menge wert. Genauso kann ich meine Kleidung aussortieren und gut erhaltene Stücke abgeben. Ich habe viel zu viel davon. Vielleicht müsste man viel öfter mal im übertragenen Sinne nach dem Kleingeld auf dem Gehweg suchen – nach diesen kleinen Dingen des Alltags, die für einen selbst schon selbstverständlich sind. Bei all der Maßlosigkeit und dem Hunger und Durst nach Mehr habe ich so viel ansammeln können. Das ist ein großer Reichtum, alles kleine Geldstücke auf dem Weg, die ich nur nicht mehr wahrnehme. Diese Fundstücke – die findet man tagtäglich überall. Die machen noch kein Vermögen, aber sie sind ein Anfang. Für mich und für andere.
Ihre Pfarrerin Veronika Grüber aus Bad Salzuflen.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze