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Kirche in WDR 4 | 28.08.2024 | 08:55 Uhr
Applaus, Applaus
Vor einer guten Woche durfte ich bei einem Hochzeitsgottesdienst die Predigt halten. Und schon seit der Vorbereitung auf diese Hochzeit begleitet mich ein Ohrwurm: „Applaus, Applaus“ von den Sportfreunden Stiller. Das Brautpaar hatte den Wunsch, genau dieses Lied, ihr Lied, bei ihrer Trauung live zu hören– und so kam es. Gesungen von einem Sänger in einer sehr beeindruckenden Version. Nur er und das Klavier. Das hatte einen echten „Sing-meinen-Song-Gänsehautfaktor.“ Diese Version war so einmalig, wie das Brautpaar und ihre Beziehung. Ja, dieser Teil der Trauung fällt für die zwei und für viele die dabei waren unter die Kategorie „unvergesslich“, das steht fest.
Bisher war das Lied für mich aus der Kategorie „ist ok“. Ich hatte zumindest keinen Abschaltreflex, wenn es im Radio läuft. Doch jetzt habe ich mal genauer hingehört. Wenn das zwei zu ihrem Lied machen, dann muss das ja einen Grund haben. Klar, oft geht es um die Situation, an die es erinnert. Aber womöglich hat ja der Text auch was zu bieten, dachte ich und bin auf Schatzsuche gegangen. Und wurde vor allem bei den Strophen fündig: „Ist meine Hand eine Faust, machst du sie wieder auf“ heißt es da direkt zu Beginn. Oder auch „Ist meine Erde eine Scheibe, machst du sie wieder rund. Zeigst mir auf leise Art und Weise was Weitsicht heißt.“ Und dann noch: „Will ich mal mit dem Kopf durch die Wand, legst Du mir Helm und Hammer in die Hand.“
Ist doch spannend, denke ich, dass sich ein Paar diese Zeilen so tief in die eigene Beziehungsgeschichte schreibt. Spannend und klug. Weil dieser Text darauf verweist, dass Zusammensein nicht nur dazu da ist, schöne Erfahrungen zu teilen, sondern auch dazu, einander zu korrigieren. „Correctio fraterna“ heißt das in Kirchensprache, brüderliche, geschwisterliche Korrektur. Und das meint: Jeder sollte Menschen um sich haben, die ehrlich ihre Meinung hinhalten, statt einen komplett abdriften zu lassen.
Wovon die Sportfreunde da singen, erinnert daran, dass einander lieben auch heißt, mutig genug zu sein, den und die andere immer wieder auch zu konfrontieren, wenn eine Sackgasse in Sicht ist. Wohl wissend: Applaus erhalte ich fürs Kritik üben ja erstmal selten. Viel wahrscheinlicher ist zunächst ein „Jetzt fällst Du mir auch noch in den Rücken!“. Wir wollen schließlich unterstützt und bestätigt werden, gerade von denen, die uns nahestehen. Grundsätzlich wissen wir, dass das auch mal eine Kopfwäsche sein kann. Aber gut anfühlen tut die sich deshalb noch lange nicht.
Füreinander da sein, zueinander stehen – das kann mitunter echt
unbequem sein. Für beide. Aber die Art und Weise, wie wir einander
konfrontieren, macht den Unterschied. Der Mensch, den die Sportfreunde
beschreiben, geht sehr klug vor. Vom Flüstern ist die Rede und von
Bedachtsamkeit. Und: Von Zutrauen. Die singen nicht von langen
Gardinenpredigten oder Besserwisserei, sondern
davon, dass jemand seine Sicht dazulegt. Und dem anderen die Freiheit lässt,
sich selbst zu entscheiden, ob er den Hammer schwingt, um die Wand einzureißen
oder durch eine andere Tür geht. Wer konfrontiert hat schließlich nicht
automatisch Recht. Manchmal brauchts ein neues Loch in der Wand statt
eingefahrener Wege. „Applaus, Applaus“ für dieses Lied, das Mut macht, auch den
unbequemen Teil von Beziehung zu leben. Das daran erinnert:
Applaus ist eine feine Sache. Ein Anklopfer ans Brett vorm Kopf aber auch. Alles zu seiner Zeit halt.