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Kirche in WDR 4 | 19.09.2024 | 08:55 Uhr
Seid freundlich
Guten Morgen.
Kürzlich hab ich in London ein
Shakespeare-Stück gesehen. „Viel Lärm um nichts“ im Globe-Theater. Das ist dem
historischen Shakespeare-Theater aus dem 17. Jahrhundert detailgetreu
nachgebildet.
Ehrenamtliche betreuen bei jeder Aufführung die Gäste. Und das britisch-höflich
und liebevoll: „Dort geht’s zum Treppenhaus. Benötigen Sie ein Sitzkissen?“ Die
Helferinnen und Helfer haben große Freude daran, dem Publikum einen schönen
Abend zu bereiten.
Natürlich, ich war Tourist und hatte für das Ticket bezahlt. Aber die Freundlichkeit
hat mich beeindruckt. Ebenso ging es mir mit dem Taxifahrer am nächsten Tag,
der mich mit ein paar Geschichten amüsiert hat. Und die Bedienung im Pub am
Abend hatte auch für jeden Gast Zeit und ein nettes Wort. Und schließlich traf ich
noch auf Sue, eine Mitarbeiterin am Flughafen, die mit Charme und Humor
technische Probleme beim Einchecken überspielt hat.
Ein paar Tage später war ich in Zürich, dann in Heidelberg und habe überall das
gleiche erlebt. Ob an der Bushaltestelle oder im Supermarkt. „Da waren
freundliche Gesichter, und es war gut, ein Lächeln zu sehen. “ Wie in dem Lied
von Reinhard Mey. Und weiter gings: Am Abend hatte ich eine Reifenpanne - der
Pannenhelfer brachte meinen Wagen schnell zu einer Werkstatt und versorgte mich
nebenbei noch mit Schokolade. „Nervennahrung“, sagte er schmunzelnd.
Aber wie kann das alles sein? Täglich
lese ich in Zeitungen und im Internet, wie angespannt und gestresst die
Menschen sind. Wie sie sich streiten und beleidigen und wie rücksichtslos die
Gesellschaft geworden ist. Egal, ob in Deutschland, England oder der Schweiz.
Und gewiss, da ist ja was dran. Hassparolen und Mobbing gegen andersdenkende
Politikerinnen oder Mitbürger – auf der Straße und in den sozialen Medien. Da
wird der Ton nicht nur rauer, sondern brutal, verletzend, beleidigend,
beängstigend, gefährlich und kriminell. Da trieft es oft vor Hass.
Erlebt habe ich aber innerhalb weniger Tage in drei Ländern etwas ganz anderes. Es gab Tipps, Schwätzchen, Schokolade, Lachen: „Oh, you are from Germany? Super!“
Ja, super. Ich lebe in einem schönen Land, auch wenn nicht alles rosig ist. Klima, Kriege in der Welt und soziale Probleme hier bei uns, machen den Menschen zu schaffen.
Es ist gewiss nicht alles Gold, was glänzt. War es noch nie. Aber trotzdem verbittern nicht alle.
„Seid aber untereinander freundlich und herzlich.“, das ist ein Satz aus der Bibel, den ich sehr mag. Wenn ich den beherzige, besteht zumindest eine kleine Chance, dass das Leben für andere und für mich selbst schöner ist. Und manchmal sogar ein bisschen leichter. Auf einer Postkarte von einem Freund steht dieser Spruch: „Jeder, den du triffst, kämpft einen Kampf, von dem du nichts weißt. Also sei freundlich.“ Es ist so wahr. Es gibt die kleinen und großen Kämpfe in unserem Leben. Machen wir es uns nicht gegenseitig noch schwerer. Seien wir lieber „untereinander freundlich und herzlich.“
Dass Sie das auch immer wieder erleben können, wünscht Ihnen
Ihr Pfarrer Bernd Becker aus Bielefeld.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze