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Kirche in WDR 4 | 11.09.2024 | 08:55 Uhr

Generation anders

In der Buchhandlung stehen sie Seite an Seite: Das Buch „Generation arbeitsunfähig“ direkt neben dem Titel „Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten?“ Das Thema Arbeit ist derzeit in aller Munde. Gerade erst habe ich am Nachbartisch im Café ein Gespräch mitbekommen. Da sitzen zwei, ein Mann und eine Frau im Rentenalter, und ich höre sie sagen: „Mehr als vier Tage wollen die jungen Leute ja alle nicht mehr arbeiten. Und bei jedem kleinen Schnupfen bleiben die zuhause.“ Die zwei sind sich absolut einig. Minutenlang bestätigen sie sich ihre Meinung von den jungen Leuten, die einfach nur faul sind. Und ich würde mich am liebsten einmischen und fragen: Was, wenn es klug ist, fauler zu sein, als Sie beide es bisher in Ihrem Leben waren?

Ich meine: Die Krankenstände steigen stetig– in allen Altersgruppen, in allen Branchen. Und nicht selten ist Überlastung eine der Ursachen. Für mich zeigt sich da: Trotz all der technischen Fortschritte ist das Leben und Arbeiten für uns Menschen nicht wirklich entspannter geworden. Eher noch herausfordernder. In der Arbeitsforschung spricht man von „Verdichtung“ von Arbeit: In den meisten Berufen stehen heute viel mehr Aufgaben an, die gleichzeitig um Aufmerksamkeit buhlen. Und in der Freizeit geht das so weiter: Ständige Kommunikation und Erreichbarkeit - es läuft heute so viel parallel in und um uns ab. Womöglich sind wir Menschen dazu nicht geschaffen.

„Unsere Kinder sollen es mal besser haben“ ist ein Satz, der für viele Menschen Antrieb war und ist. Und der über Generationen bedeutete: Möglichst viel arbeiten – weil Arbeit für die Gesellschaft wichtig ist, weil Arbeit auch zum persönlichen Wohlbefinden beiträgt und weil wir damit schlicht unseren Lebensunterhalt verdienen. Wenn es gut läuft, lässt sich sogar was ansparen für später, auch für die nächste Generation vorsorgen. Möglichst viel und hart arbeiten- das war lange Zeit ein gesellschaftlicher Konsens. Und der wackelt derzeit.

Und ich finde es nachvollziehbar, dass dies besonders in der Generation der Berufsanfänger:innen spürbar wird: Sie wissen oft nicht mal, wie sie ihre Miete bezahlen sollen, so hoch sind die inzwischen. Schon als Kind haben sie gehört, dass sie nie eine Rente bekommen werden, von der sie leben können. Dank KI – Künstlicher Intelligenz wird das Feld Arbeit derzeit gründlich umgekrempelt. Die Jungen erleben die Generation ihrer Eltern, die sich fragen, wie lange sie noch unter diesen Bedingungen arbeiten müssen – oder auch können, weil es nicht wenigen längst zu viel wird. Und, nicht zuletzt: Wir alle stehen vor der riesigen Herausforderung namens Klimakrise. Deren Ausmaß ist noch nicht wirklich abzusehen. Klar ist: deren Auswirkungen werden die Jungen und ihre Kinder und Kindeskinder deutlicher spüren, als die, die jetzt schon älter sind. Bei einer solchen Ausgangslange scheint es neue Antworten zu brauchen. Ich glaube nicht, dass die sogenannte Generation Z faul oder egoistisch ist. Auch ihre Kinder sollen es einmal besser haben. Aber sie stellen sich der Frage, wie dieses „Besser“ aussehen kann, wenn sich die Bedingungen so verändern? Am Nachbartisch im Café höre ich auf einmal andere Töne. Die zwei sprechen jetzt von sich selbst, statt über die anderen. Und ich höre sie sagen: „Manchmal frage ich mich ja schon, ob das so Sinn macht, mit der ewigen Plackerei. Das letzte Hemd hat ja keine Taschen.“ Und ich denke: Jetzt würde ich gerne mitreden. Und womöglich hat die Kellnerin auch kurz Zeit. Die ist halb so alt wie ich. Ihre Perspektive darf hier nicht fehlen.

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