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Kirche in WDR 4 | 31.10.2024 | 08:55 Uhr
Reformationstag
Guten Morgen!
Bevor Sie’s vergessen: Obacht heute! Nicht, dass Sie zu Tode erschrecken! Akute Horrorgefahr besteht beim Verlassen der eigenen vier Wände besonders in den Abendstunden. Rechnen Sie - auch in Straßenbahnen oder Fußgängerzonen – jederzeit mit Geistern, Zombies, Skeletten, Vampiren, Hexen, Henkern und Gruselclowns. Allerdings gilt: Fürchtet euch nicht! Es handelt sich schlicht um den alljährlichen Halloweenklamauk. Allenfalls lästig das Ganze, wenn sinnlos rohe Eier vor die Fenster fliegen oder Zombies zu viel Schnaps getrunken haben; apokalyptisch ist daran nichts. In der niedlichen Spielart stehen heute Abend gruselig dekorierte Kinder vor der Tür und rufen „Süßes oder Saures“ – legen Sie besser schon mal Naschwerk bereit.
Nicht vergessen sollten wir auch etwas anderes: Der Pseudo-Party-Grusel von Halloween hat einen ernsten Hintergrund.
Der „Totentanz“ – ein Bild aus der Lübecker Marienkirche kann das illustrieren. 1463 wurde es gemalt, Bernt Notke hieß der Künstler. In munterer Reihe auf dem Bild vereint alles, was Rang und Namen hat im Mittelalter. Papst, Kaiser, Kardinal, Bischof, Ritter, Bauer und Seefahrer, Händler und Handwerker, Bürger und Mönch.
Sie alle in langer Reihe, im Hintergrund zu sehen die Hansestadt Lübeck. Und zwischen ihnen - immer schön im Wechsel zwischen zweien - stehen, schreiten, tanzen dann noch andere Figuren. Eingehüllt in weiße, verschlissene Tücher. Todesgestalten, verschrumpfte Leichen mit grässlichen Totenschädeln, manche starr, manche grinsend. Sie bilden einen Reigen, eine der Gestalten springt allen pfeifend voran. Hunderte solcher Bilder gab es im Mittelalter.
Der Allgegenwart des Todes gewidmet. Seuchen wie die Pest entvölkern ganze Landstriche. Kinder sterben zuhauf, Hunger und Elend, Krieg und Gewalt haben alles im Griff. Der Tod lauert gleich um die Ecke.
Und dazu diese Höllenangst, buchstäblich. Dass jeden Menschen nach seinem Sterben ein strenges Gericht erwarte, dessen war man sicher, Fegefeuer, Folterqualen, all das. So lehrte es die Kirche. Und so japsten die Menschen nach Erlösung, nach irgendetwas, das in der Kürze vor dem Tod das ewige Heil noch retten könne.
Totentanz und Höllenangst: So war das.
Gut 50 Jahre hing der Totentanz in Lübeck, als am 31. Oktober 1517, heute vor 507 Jahren, Martin Luther seine 95 Thesen gegen den Ablass an die Wittenberger Schlosskirche schlug, und sie zur Kenntnis dem Erzbischof von Mainz und Magdeburg schickte. Dass der Mensch allein durch den Glauben, allein durch Christus, allein durch Gottes Gnade und Barmherzigkeit sein Seelenheil erlangen könne – und nicht durch fromme Taten, nicht durch das Erkaufen von Sündenvergebung oder einen Deal mit der Kirche – das hob zu jener Zeit Welt und Kirche aus den Angeln. Reformation – Aufbruch zur Freiheit im Glauben und in ein Leben ohne Höllenangst.
Allemal wert, erinnert zu werden - heute am Reformationstag, dem 31. Oktober.
Seien wir also gnädig mit den nervigen Halloween-Geistern. Weil Gott mit dir und mir und allen Menschen gnädig ist. Schluss mit der Angst – fürchtet euch nicht!
(Ende WDR 4, Verabschiedung für WDR 3 und 5: )
Es grüßt Sie, Ulf Schlüter aus Bielefeld.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze